Die Wahrheit: Kehrtwende mit Kreuz und Kugel

Die Dämonen, sie sind zurück – und das dank der fahrlässigen Coronapolitik der Regierungen der Oberwelt.

Ein weiblicher und ein männlicher Vampir in einer Musicalaufführung

Die Vampire sind wieder da: Corona vertreibt sie aus der Unterwelt Foto: Christof Stache / ap

„Nach der Pandemie ist vor der Pandämonie“, bestätigt heiser atmend Frater Hieronymus, Veteran der Friedensbewegung der achtziger Jahre und nach einem langen Marsch durch die Befreiungskirchen nun bei den katholischen Fundamentalisten aus dem Opus-Dei-Umfeld (u. a. Armin Laschet) angekommen.

„Unsere Regierungen versäumen seit Jahrhunderten, uns gegen die Seuche der Gottlosigkeit zu beschützen“, wütet der fromme Mann und inhaliert etwas Weihrauch. „Warum müssen wir Masken tragen und keine Bibeln? Und zum Beispiel das silberne Kreuz ganzjährig und nicht nur zur winterlichen Influenza-Zeit!“

Incubi und Succubi lauern längst auf Menschen nach dem Lockdown

So wie Frater Hieronymus, 74, zweifeln immer mehr Menschen, ob der kleinliche, enge Weg von Wissenschaft und Technik, den unsere moderne Welt fatalerweise eingeschlagen hat, der einzig richtige ist. Es sieht doch ein jeder, dass wir uns in unserer Verblendung gegen die Natur, gegen den Schöpfer selbst versündigt haben. Um so mehr, als Gott, der Herr, uns Menschlein bereits die nächste Plage sendet zum Zeichen seines Zorns – die Pandämonie: die Zwischenherrschaft der Wesen aus den giftigen Nebeln des Bösen. Das Zeitalter der Dämonen, das die Herrschaft Satans ankündigt.

„Kommen Sie mit, verlassen Sie mal Ihre ausgetretenen Mainstream-Pfade!“, lacht der Mann mit bösem Ingrimm und beginnt schlotternd, Litaneien und Liturgien in der lateinischen Originalversion zu summen.

Armageddon zuvorkommen, jetzt!

Wir nickten gottesfürchtig, stimmen zögernd ein und begleiten Bruder Hieronymus, der in Wirklichkeit auch ganz gut ein junger, als alter Mann verkleideter Mann, 27, sein könnte, auf seinem Weg durch die engen Gassen dieser hessischen City. Wie er die Einkaufszentren segnet, das Vaterunser spricht und eine McDonald’s-Filiale mit einer päpstlichen Bannbulle belegt. Wie er die Stadtmauern mit Weihwasser sprengt, mehrere Teufelsaustreibungen vornimmt und einen abscheulich frevelhaften Kinderdämon mit seinem Wanderstock verprügelt. Als uns genügend Lumpenproleten zugelaufen sind, macht der Prediger Halt und donnert: „Wir sind im Krieg mit den Dämonen, handelt jetzt, bevor Armageddon über uns hineinbricht!“

Dann klärt er uns auf. Lange galten sie als ausgerottet, konnten nur in Heavy-Metal-Texten und auf Mittelaltermärkten überleben: Dämonen. Doch jetzt sind sie mit jeder Menge übler Tricks zurück. Nie seit dem Mittelalter waren sie so mächtig! Dabei machen gerade die Lockerungen zum Ende des Seuchengeschehens es den bösen Geistern leicht: Gehörnte oder feuerspeiende Dämonen lauern nur darauf, dass Menschen nach dem Lockdown einander wieder die Hand geben und sich inbrünstig um den Hals fallen; Incubi und Succubi sind sofort zur Stelle, wenn brünstige Studierende nach nächtlichen Tanzgelagen ermattet ins Bett stolpern und auf der Stelle das Bewusstsein verlieren.

„Deutschland muss jetzt schnell umdenken“, sagt auch die protestantische Theologieprofessorin Ingeborg Hufstein aus Tübingen. „Viele haben genug von täglichen Inzidenzwerten und immer neuen Warnungen, aber es gilt jetzt, der nächsten Menschheitsgeißel in die roten bösen Augen zu schauen … aaaaahhhhh!!! Eeeeeeiiiiiiiiiuuuuuuiiiii!“

Ganz anders dagegen, viel freundlicher nämlich, argumentiert der bekannte Musiker Ozzy Osbourne als Vertreter einer weltweiten Vereinigung professioneller Dämonenzüchter und -halter. Seiner Überzeugung zufolge müssten mehr finanzielle Mittel in die Wissenschaft der Dämonologie gesteckt werden, teilte der Unterhaltungskünstler in einem persönlichen Statement bei TikTok mit. Für Dämonenschäden, beispielsweise an öffentlichen Gebäuden und Kirchen, solle weiterhin der Staat haften, alles Weitere falle allein unter die verfassungsmäßig geschützte persönliche Freiheit.

Mit solchen selbstbewussten Ansagen können die Widersacher der Dämonenplage nicht zufrieden sein. Im Hintergrund knüpfen Widerstandskämpfer wie Frater Hieronymus daher bereits Verbindungen zu internationalen Dämonenjägern, die in schlagkräftigen, vernetzten Gruppen durch die Dörfer und Gemeinden patrouillieren und große wie kleine Dämonen auf eigene Faust zur Strecke bringen – mit Kreuz und Silberkugel.

Bis, so lautet der Schwur des frommen Bruders, bis Satan endlich zurückweicht in der endgültigen endzeitlichen Entscheidungsschlacht, die unglücklicherweise dieses Jahr in den Bundestagsvorwahlkampf fällt. Deutschland, so viel lässt sich jetzt schon sagen, steuert auf unruhige Zeiten zu.

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