Die Wahrheit: Hackedicht am Weitermachen
Quote vor! Die ARD will pandemiekritischen Schauspielern bis zum Sommer dieses Jahres ein verbindliches Rollenangebot machen.
„Die arabische Übersetzung des Parteinamens ‚Die Basis‘ lautet ‚al-Qaida‘“, raunt Drehbuchautor Robert Ebert leicht paranoid. „Zufall? Wohl kaum!“ Schon seit der ersten Staffel sitzt Ebert im Writers Room der deutschen Erfolgsserie „Babylon Berlin“. Bisher hatte ihm die Arbeit an der historischen Krimireihe aus der Zeit der Weimarer Republik Spaß gemacht, doch seit bekannt wurde, dass Hauptdarsteller Volker Bruch Mitglied ebenjener „Basis“ genannten Querdenker-Partei werden will, plagen den Autor arge Zweifel.
Zu diesen Zweifeln wird er allerdings von höchster Stelle genötigt. Der Einfluss der Querdenker-Partei mag vernachlässigenswert sein, das Renommee einer gefeierten Serie ist es nicht. „Ohne ‚Babylon Berlin‘ verliert Deutschland den Anschluss als Fernsehnation“, glaubt Ebert. „Wir brauchen Bruch als Kommissar Rath.“
Ergo muss der Autor auf die Empfindlichkeiten seines verschwörungsgläubigen Stars Rücksicht nehmen. Die Spielhandlung solle künftig auch Meinungen „außerhalb des wissenschaftlichen Mainstreams“ einbinden, heißt es eher vage aus dem Writers Room. „Gibt es das Coronavirus überhaupt? Waren Nazis damals wirklich die Bösewichte?“, brainstormt der Kreative gegen den Strich.
Der Wind in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft dreht sich. Und das nicht erst, seit der für den Serienstandort so kriegswichtige „Babylon“-Mime auf die dunkle Seite der Parteienlandschaft gewechselt ist. Schon seit Tagen sitzt Tatort-Pathologe Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne, der seinen Schauspieler mittlerweile offensichtlich komplett verinnerlicht hat, in sämtlichen Talkshows herum und charmiert sich ölig erfolgreich in die Herzen aller Maßnahmenkritiker.
Widerruf des Widerrufs
Seither bröckelt die vormals dicht geschlossene Front der #allesdichtmachen-Gegner. Einige Schauspieler, die an der Aktion teilnahmen und sich dann distanzierten, widerriefen ihren Widerruf. Die Situation droht unübersichtlich zu werden. Krimikollegin Ulrike Folkerts, die ihr Video zuerst zurückzog, revidiert auf Twitter halbstündlich ihre Meinung, um auf der Höhe des Diskurses zu bleiben. Heike Makatsch will sich erst wieder positionieren, wenn ihr schriftlich eine Sprechrolle oder zumindest minimale Aufmerksamkeit zugesichert wird.
Besonders WDR-Chef Tom Buhrow, der wetterfühligste aller ARD-Intendanten, leidet hörbar unter der Unwägbarkeit öffentlicher Meinungsbildung. Sein altes Hühnerstall-Trauma ist wieder aufgebrochen, die hochsensible Muffe des Spitzenverdieners saust derart laut, dass man seine dramatisch tremolierenden Entschuldigungsversuche kaum versteht. „Es steht uns nicht an, mit den berechtigten Sorgen und Ängsten der werberelevanten Zielgruppe Motorrad zu fahren“, rudert Buhrow gegen den gesellschaftlichen Spaltpilz in seinen Quoten an und lässt nebenbei die Bombe platzen. „Wir wollen bis zum Sommer allen pandemiekritischen Schauspielern ein verbindliches Rollenangebot machen“, verkündet er.
Wohlfeile Weisheiten
Nun werden eifrig Bücher neu- und umgeschrieben. Der ohnehin experimentell angelegte LKA-Ermittlers Felix Murot etwa, den Ulrich Tukur in der „Tatort“-Reihe verkörpert, wird vollständig vom Ballast der Polizeiarbeit befreit. Stattdessen will Tukur seine Figur neunzig Minuten am Stück wohlfeile Weisheiten in muffigem Bühnendeutsch drechseln lassen, die vage rebellisch und arschgebildet klingen. „So kehrt endlich zurück, was unser Planet dringend benötigt: Ruhe und Frieden“, glaubt der silberzüngige Mime.
Drehbuchautoren sind bei dieser Unternehmung überflüssig. Immerhin dieses Schicksal bleibt dem TV-Autor Robert Ebert erspart, er muss jetzt allerdings seine gesamte Serie querdenken. „Wir entwickeln ein Prequel zu ‚Babylon Berlin‘, das kurz nach dem Ersten Weltkrieg spielt“, skizziert er länglich die Handlung der neuen Staffel:
„Der ehemalige Frontkämpfer Gereon Rath wird als Polizist in die Hauptstadt versetzt. Immer mehr Berliner fallen einer mysteriösen ‚Krankheit‘ zum Opfer. Doch haben wirklich spanische Influenzer die fremde Maladie in Schellackplatten eingeschleppt, wie gemunkelt wird? Die Ermittlungen führen Rath ohne ersichtlichen Grund in die Berliner Halbwelt. Während einer unzeitgemäßen Tanznummer verliebt sich der Bulle in die Bardame Lola. Nachdem die fesche Lola erkrankt und stirbt, ohne ein Wort Flamenco getanzt zu haben, kommen dem Kriegsheimkehrer Rath erhebliche Systemzweifel. Stecken womöglich andere, weitaus mächtigere Dunkelmänner hinter der angeblich ‚Spanischen Grippe‘? Ist die Krankheit am deutschen Volkskörper überhaupt physischer Natur? Oder verdirbt das Vaterland unter der zersetzenden Wühlarbeit plutokratischer Volksschädlinge? Von einem jungen österreichischen Kunstmaler erhält Kommissar Rath den entscheidenden Tipp …“
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