Die Wahrheit: Delaware, mon amour

Wie geht es weiter in den USA? Der Heimatstaat von Joe Biden bietet jedenfalls viel mehr, als nur dessen Heimat zu sein.

Eine Strandbar in Delaware.

Nix Dolles in Delaware, außer am Strand Foto: reuters

Die USA sind jetzt 244 Jahre alt, davon übrigens nur 16 ohne Krieg. Bald 78 Jahren davon war Joe dabei, also nahezu ein Drittel. Den Bundesstaat Delaware haben die wenigsten so richtig auf dem Schirm, aber das dürfte sich ab dem 20. Januar ändern, so der 46. Präsident der USA auch wirklich vereidigt wird: Mr. Joe „Let Me Tell You A Story“ Biden. Die Zeremonie allerdings birgt nicht nur seit Mittwoch und dem Chaos am Kapitol Gefahren: Der 9. Präsident, William Henry Harrison, hielt zur Amtseinführung am 4. März 1841 eine zweistündige Inaugurationsrede. Da er an diesem sehr schattigen Tag keinen Mantel trug, zog er sich eine Lungenent­zündung zu, an der er nur einen Monat nach Amtsantritt verstarb.

Delaware hat sich seit dem Beatles-Song „Here, There and Delaware“ 1966, der Bankenkrise 2008 und der letzten Hinrichtung 2012 in den Medien rar gemacht. Bis jetzt. Joseph Robinette Biden residiert in Wilmington am Delaware River, der dem Staat natürlich seinen Namen aufgezwungen hat – dem allerersten übrigens, der 1787 die Verfassung der Vereinigten Staaten ratifizierte. Die kam damals in einer besseren Verfassung als heute. Das erklärt schon mal den Namen „First State“ auf den Nummernschildern. Delaware hat passend dazu nun seinen „First Präsident“ und seine „First Lady“ – ein toleranter Staat, der sogar Leuten aus Penn­syl­vania (Joe) und New Jersey (Jill) Zuflucht gewährt hat.

Der zweitkleinste Staat der USA ist nur geringfügig kleiner als das Weiße Haus mit seinen 132 Räumen, 35 Badezimmern, 412 Türen, 147 Fenstern, 8 Treppen­häusern, 3 Aufzügen, dem Swimmingpool, dem Tennisplatz, dem Kinosaal sowie der unter Präsident Richard Nixon eingerichteten Bowlingbahn. Aber so winzig der Staat auch sein mag – an Spitznamen wie „Diamond State“ oder „Small Wonder“ mangelt es nicht. Der Staatsvogel ist die Blaue Henne, was immer das sein mag, die Staatsblüte … eigentlich ist das völlig uninteressant. Das mit den Hühnern ist schon spannender, denn streng genommen ist Dela­ware eine Legebatterie mit ein wenig Umland.

Das bekannteste Bauwerk ist der Keller, von dem aus „Slee­py Joe“ seinen Wahlkampf geführt hat. Beinahe wäre die Gegend schon im 15. Jahrhundert von spanischen und portu­gie­si­schen Seefahrern entdeckt worden, aber augenscheinlich hatte keiner von denen Lust, an Land zu gehen, was mit der äußerst reizlosen Landschaft zu tun haben mag. Diesen Mangel hat man mit einer geradezu abenteuerlichen Steuergesetzgebung wettzumachen versucht.

Liechtenstein at its best

Delaware ist eine Steuer­kloa­ke reinsten Wassers, auf einer Ebene mit Panama oder Liechtenstein in seinen besten Tagen. Im gesamten Staat haben sich circa 620.000 Briefkastenfirmen angesiedelt, weswegen die Post der größte Arbeitgeber ist. Es ist möglich, anonym Unternehmen zu gründen, Grundkapital bedarf es nicht, der Firmenvorstand kann aus nur einer Person bestehen, zu Coronazeiten allerdings aus maximal zwei Haushalten.

Dafür verblüfft man auf anderen Ebenen mit merkwürdigen Gesetzen: So darf der Delawarer beziehungsweise die Delawarerin in Kirchen nicht flüstern oder im Auto die Wäsche wechseln, und sechsjährige Mädchen dürfen nicht in der Öffentlichkeit herumspringen, wenn sie nicht vollständig angezogen sind. Oscar Wilde hat schon vor langer Zeit feststellt, und man meint, er habe damals schon die Landplage der Evangelikalen im Blick gehabt, die Vereinigten Staaten seien das Land, das als Erstes direkt von der Barbarei in die Dekadenz übergeht und dabei die Zivilisation überspringt. Da gerade von Dekadenz die Rede ist: Keine Bange, Delaware ist so klein, dass es nicht mal genug Platz für Golfplätze gibt.

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kari

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