Die Wahrheit: Moegl. freihalten

Schnellzug der Zeit, Bummelzug der Vergangenheit: Mit der DB liegt man auf den Schienen in die Zukunft... O. s. ä. Weil, es geht um Abkürzungen hier.

Achtung, Achtung, bitte zurückbleiben! Wer jetzt noch nicht aufgesprungen ist auf den Schnellzug der Zeit, der oder die muss wohl verbleiben im Bummelzug der Vergangenheit, die des Öfteren nichts anderes war als eine leicht obszön anmutende Wette auf die Zukunft. Ich aber sage euch: Das wird auch in Zukunft so bleiben, denn wer klammert sich nicht gern an das, was weg ist, ergo, sitzt weiter im Bummelzug der Vergangenheit.



Zwischendrin, also jenseits von Trauer und Leid, sind wir alle von Abk., von Abkürzungen bis zum Abwinken umgeben. Allein ich habe vorige Woche ca. 689 Abk. in meinem Alltag gezählt. D. h., vielleicht waren es sage und schreibe genau hier an dieser Stelle auch mehr als 705 Abk. Gar und ganz kurz will ich nun und nur in diesem Zusammenhang berichten, wie ich kürzlich mit der DB verreiste, denn die Geschichten, in denen Menschen mit der Deutschen Bahn fahren und anschließend oder noch während der Zugreise launig darüber schreiben, sind allermeist erwartbar nicht lustig. Thänk you for not writing about German Rail. Ich kürze deshalb ab und bringe nur ein kleines Bsp.



Wegen C., dem Gegenteil von Ringelpiez mit Anfassen, soll bekanntlich und tunlichst und möglichst überall abständig vorgegangen und auch gesessen werden. Weshalb die DB dem müden, wie eh und je durch Großräume mit Tisch stolpernden Reisenden, der Koffer voller Schränke durch die falsche Wagennummer schiebt und dabei noch pampig wird, klettert man über ihn hinüber, weil man sich im Gegensatz zu ihm in der richtigen Wagennummer befindet und Maske trägt, also auch diesem stolpernden Reisenden will die DB aus logischen Hygienegründen signalisieren, dass für ihn nicht überall Platz ist. Deshalb schreibt sie in einer Computerschrift der späten neunzehnhundertachtziger Jahre (abgekürzt: 80er) an die Gangseite nicht weniger Sitzmöbel: „Moegl. freihalten“. Oha.



Und hier, liebe Leserschaft, ist meine kleine, stichelnde Story aus dem Modelleisenbahn-Kosmos der ehemaligen Reichsbahn auch schon wieder und nicht nur moegl.weise, nein, moeglicherweise fast beendet. Dann endlich kann ich mich den wirklich wichtigen Abk. unserer Zivilisation am Ende des ach so vermaledeiten Jahres 2020 widmen. Wie ggf. dem gegebenenfalls, aber jetzt ist aus gegebenem Anlass Schluss mit dem Geschichtenerzählen aus der DB. Kein guter Zug!



Ggf. mache ich an diesem Punkt und ein letztes Mal in diesem steinalten Jahr doch noch eine gar winzige Ausnahme. Denn mind. genauso schön wie die Raumschiff-Enterprise-Parole der DB „Moegl. freihalten“ (wird von Captain Kirk per Knopfdruck ausgelöst, wenn ein feindliches Raumschiff plant, neben einem zu parken) ist die Parolenvariante „ggf. freigeben“ an der Waggonbestuhlung. Welcher nicht in der Verwaltung oder einem anderen Bürokratieorbit Arbeitender kann denn heute noch mit dieser Abk. ggf. etwas Solides und Wegweisendes anfangen? Prosit Neujahr!

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Seit 2013 bei der taz-Wahrheit, zeitweise auch Themenchefin in der Regie und Redaktionsrätin. Außerdem Autorin mit Schwerpunkt Frankreich-Themen

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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