Die Wahrheit: It’s the Megxit, stupid!
Mit Großbritannien geht es bergab. Ist die Loslösung von der EU allein daran schuld? Aber natürlich nicht, erklärt die Korrespondentin der Wahrheit.
Wir stehen kurz vor dem vorläufig endgültigen Brexit-Termin, und das Land an der Themse ist kaum noch wiederzuerkennen. Als Großbritannien-Korrespondentin schaue ich mir die Insel schon lange an, aber nicht einmal ich erkenne sie wieder. Ich sehe nur noch Elend und Armut. Überall traurige Kinderaugen, hungrige Kinder, knurrende Kinderbäuche. Guck mal, bei dem Mülleimer da, zwischen den Ratten. Ist das ein hungriges, halbtotes englisches Kind oder eine Tüte Chickenwings, die jemand achtlos weggeworfen hat?
Alles in diesem Land ist leer. Die Kinderbäuchlein auf dem Spielplatz: leer. Die Medizinschränke im Krankenhaus: leer. Der Papierschrank in der Schule: leer. Die Herzen der Menschen: leer. Das Einzige, was voll ist? Die Wartezimmer im Jobcenter. Voll von Menschen, die leiden.
Ja, die britische Wirtschaft leidet, die britische Bevölkerung hungert, das britische Volk weint. Großbritannien geht kaputt. Nein, Großbritannien ist schon kaputt gegangen.
Was ist passiert? Laien aus Deutschland vermuten, dass die steigende Armut im Lande mit dem Brexit oder der unmenschlichen konservativen Sparpolitik zu tun hat. Aber ich als Großbritannien-Expertin und Untertanin Ihrer Majestät, der Queen, kann Ihnen sagen: Die britische Wirtschaft konnte den plötzlichen Verlust gleich drei der immens fleißigen Royals nicht ausgleichen!
Epstein, Epstein, alles muss versteckt sein
Zuerst warf Prinz Andrew das vollkommen unverschwitzte Handtuch. Wegen seiner ungünstigen Solidarität mit dem berühmten US-Pädophilen Jeffrey Epstein (+) musste der Falkland-Kriegsheld und Ex-Mann von Sarah Ferguson von seinen königlichen Pflichten zurücktreten. Letzte Woche kündigten dann überraschend Prinz Harry und die erst frisch geadelte Meghan den Job. Anders als die englischen Krebskranken, die sofort mit 10 Pfund Strafzahlungen pro Tag rechnen müssen, wenn sie ein Interview beim Jobcenter ablehnen, haben Harry und Meghan angekündigt, dass sie „in Richtung finanzieller Unabhängigkeit“ arbeiten wollen.
Ein edles Ziel – fast so edel wie ihr ländliches Cottage, das zufälligerweise wie eine Luxusvilla aussieht. Seltsam nur, dass dieses bescheidene „Frogmore Cottage“ viel schneller renoviert wurde, als für die obdachlosen Familien vom Grenfell Tower Wohnungen gefunden werden konnten.
Plötzlich gab es drei hochqualifizierte Menschen von edlem Geblüt weniger, die geschickt genug waren, um mit einer großen Schere das Band zu zerschneiden, wann immer es Einkaufszentren, Teppichhäuser und Tierheime zu eröffnen galt. So einen Blitzschlag hat die britische Wirtschaft einfach nicht ausgehalten. Denn worüber sollen die Medien berichten, wenn die Royals einfach so in der Versenkung verschwinden?
It's the BBC News
Die bittere Wahrheit ist: Niemand kann sagen, dass die britische Bevölkerung von den schrecklichen Folgen des Adelsschwunds nichts gewusst hätte. Denn es gab einen Sender in Großbritannien, der die übergroße Wichtigkeit der Royal Family stets betont hat: die BBC. Doch auch die öffentliche Rundfunkanstalt des Vereinigten Königreichs ist wegen des unerträglichen Wirtschaftsschadens, den Meghan und Harry mit ihrer Schock-Entscheidung ausgelöst haben, über den Jordan gegangen.
Dabei hatte die BBC das britische Volk immer wieder daran erinnert, dass die Windsors viel mehr Geld für die Wirtschaft einbringen, als sie kosten. In den vergangenen Jahren waren 90 Prozent aller Nachrichtenmeldungen der BBC eigentlich nur damit beschäftigt, die britische Bevölkerung an diese Tatsache zu erinnern.
„Guten Tag, hier sind die Nachrichten von der BBC“, begann jede Frühstückssendung, „die königliche Familie bringt viel mehr Geld in die Wirtschaft ein, als sie uns kostet. Die königliche Familie bringt viel mehr Geld in die Wirtschaft ein, als sie uns kostet. Die königliche Familie bringt viel mehr Geld in die Wirtschaft ein, als sie uns kostet.“ Wie ein Abnehm-Hypnose-Tutorial bei YouTube versuchte die BBC den Briten klarzumachen, wie wichtig die Royals für die Wirtschaft waren. „Und jetzt eine Meldung über einen Behinderten, der Sozialhilfe bezieht, aber eigentlich sehr viel Geld als Akrobat verdient!“ Aber die erst ganz am Schluss.
Trotz ihrer Unverzichtbarkeit wollen Meghan und Harry unbedingt weg von der Insel – und jetzt hat der Brite den Salat. Beziehungsweise eben keinen Salat mehr. Nur noch Dosenfleisch und Dosenobst hat man – und nicht einmal davon genug! Die Armut ist gestiegen und überall sieht man, spürt man, riecht man den Schaden, den dieser Verlust verursacht hat. Arme Kinder, armes Land ohne Hoffnung. Wenn die Armut weitersteigt, wird Queen Elizabeth II. den Buckingham Palace in ein riesiges Obdachlosenheim umbauen müssen. Oder endlich das Handtuch werfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen