Die Wahrheit: „Könnte Merkel nicht Gysi sein?“

Das wahre Wahrheit-Interview: Der Star der Berliner Elektro-Späti-Szene Tomas Tulpe über Musik, Blumen, sich und die Welt.

Ein Mann turnt auf einem Einkaufswagen.

Späti-Star Tomas Tulpe, wenn er gerade mal nicht wohnt Foto: Sarema

taz: Lieber Tomas Tulpe, wenn der Frühling kommt, dann schick ich Ihnen …?

Tomas Tulpe: Am besten keine Tulpen, ich neige dazu, sie zu essen, sobald ich sie in die Hände bekomme. Deshalb wird mir hin und wieder Kannibalismus unterstellt.

Vielleicht ist das kalendarisch auch die falsche Frage. Mögen Sie Herbst in Peking?

Ja, sehr! Auch wieder ein komischer Name für ’ne Band. Aber in der DDR hatte man ja nichts, und es gab schlimmere Bandnamen: Silly, Puhdys oder Ralf Bummi Bursy, da kann man eigentlich jeden nehmen. Ich mag den Herbst, weil es da langsam wieder losgeht, dass man in kurzen Hosen auffällt.

Den Herbst der Karriere?

Ich bin ja gerade noch im Frühling. Ganz ehrlich, ich hasse das Konzept „Jahreszeiten“. Irgendwann hat das begonnen mich so dermaßen zu langweilen. Jedes Jahr dieselben vier und immer in der gleichen Reihenfolge. So ein Leben braucht Abwechslung. Deshalb überlege ich, mir eine Klimaanlage zusammenzusparen. Ich hab gehört, dass du dir mit so einem Gerät dein eigenes Wetter basteln kannst. Wie Gott.

ist Musiker und lebt in Berlin. Bekanntheit hat er durch den Hit „Schmier mir eine Schnitte“ sowie dem Auftritt in dem Film „U3000 – Tod einer Indieband“ erlangt. Sein aktuelles Album heißt „Der Mann im Pfandautomat“ und ist bei Bakraufarfita Records erschienen.

War es ein langer Weg vom Britpop der Stone Roses zum Techno-Schlager der Roten Rosen?

Bei den Stone Roses war ich nicht so lang, wir haben uns ja ziemlich schnell wieder getrennt, da kamen die Roten Rosen ganz gelegen. Dachte ich, denn weil ich Tulpe hieß, flog ich noch vor der Veröffentlichung des Albums wieder raus. Ich habe fast alles komplett allein eingespielt, auch das war ein Grund für meinen Rauswurf. So begann meine Solokarriere.

Aufmerksam wurden wir auf Tomas Tulpe durch den Filmhit „U3000 – Tod einer Indieband“, einen echten Kassenschlager. Fühlen Sie sich als Überlebender?

Im Showbiz musst du dich immer als Überlebender fühlen, tust du das nicht, frisst dich der HipHop auf. In dem Film hab ich übrigens mich selbst gespielt. Einen Gangsterboss, der Musik macht. Vielleicht wäre ich ein ganz guter Gangster-Rapper. Aber wahrscheinlich wäre ich dafür einfach zu real.

Wie kommt man mit dem Starrummel zurecht?

Man kann in der S-Bahn immer nur eine Station im selben Wagen fahren. Wenn du nach einem Autogramm oder einem Foto mit dir gefragt wirst, gucken dich ansonsten für den Rest der Fahrt alle Mitreisenden an und überlegen, wer du bist. Da ich aussehe wie Herbert Grönemeyer, kann es schon mal passieren, dass die komplette Bahn ausflippt und ich gezwungen werde zu singen. Meist sing ich dann „Was soll das?“ oder „Mensch“ mit Texten von meinen eigenen Songs. Weil niemand Herberts Texte kennt, fällt das selten auf. In der Regel fahr ich aber Rad. Oft auch auf dem Gehweg, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.

Im Internet heißt es: „Tomas Tulpe ist der Held der Berliner Elektro-Späti-Szene“. Was genau ist „Elektro-Späti“?

Das höre ich gerade zum ersten Mal. Seit meinem zweiten Album „Wie wär’s mit Senf?“ hab ich ja Hausverbot im Späti. Das hat mich gezwungen, nicht mehr zu essen. Ich vergesse, am Tage einkaufen zu gehen, und nachts lassen sie mich mittlerweile in keinen Späti mehr rein. Deshalb bin ich so dünn. Essen und trinken haben mich allerdings auch gelangweilt. Viel zu alltägliche Beschäftigungen.

Und was ist ein „Held“?

Ich. Also jemand, der sich über Jahre hinweg mit Hobbys wie Wohnen und Stehen bei Laune Held.

Wie stehen Sie zu Merkel und der AfD?

Ich hasse die AfD. Frau Merkel habe ich mal vor ihrer Wohnung getroffen. Wir kennen uns sozusagen persönlich, deshalb bin ich da in meiner Antwort befangen. Schön wäre es, wenn Gysi eine Frau wäre. Könnte Angela Merkel nicht Gysi sein? Wäre das nicht unsere Rettung?

Wer ist denn da noch so in dieser Späti-Szene?

Ich geh mal davon aus, dass die Verkäufer selbst die Szene bilden.

Im, wie wir von der Wahrheit finden, besten Stück (haha) Ihres neuen Albums „Der Mann aus dem Pfandautomat“, das da „Ich geh in die Sauna“ heißt, sagen Sie: „Alle hier sind nackt, alle, nur nicht ich, denn ich schäme mich.“ Beruht das Stück auf wahren Begebenheiten?

Ja, da ich nur einen europäischen Durchschnittspuller habe, hatte ich mich bei meinem bisher einzigen Saunabesuch komplett in Handtücher eingehüllt. Das klingt erst mal schlimm, ist es aber gar nicht. Die Handtücher saugen den Schweiß direkt auf und man spart sich hinterher das Abtrocknen. Du kannst so, wie du bist, wieder rausgehen.

Weiter heißt es: „Die Luft riecht nach Menthol, ich gönn mir zwei, drei Bier, und zack, bin ich voll.“

Als Musiker musst du aus Imagegründen immer leicht einen in der Krone haben. Das kann teuer werden, und da kommt dieser Nebeneffekt des Saunierens schon gelegen. Bis man feststellt, dass die Sauna­preise in den letzten dreißig Jahren ziemlich angestiegen sind.

Ist das nicht ein wenig drogenverherrlichend?

Leider ist es das. Die Wirkung, die Menthol mit sich bringt, wird in den eingängigen Apothekenmagazinen immer noch gern verharmlost oder gänzlich totgeschwiegen.

Ein großer Hit in der taz-Sportredaktion war der Brüller „Handball“ vom Album „Wie wär ’s mit Senf“. Ein Lied mit nur einer Zeile! Wie lange haben Sie daran getüftelt?

Einen so gigantischen Text konnte ich zu der Zeit gar nicht schreiben, weil ich von der Sportart Handball, 2014 noch ein relativ junger Sport, noch nie gehört hatte. Ich habe es dann gecovert, weil der Titel irgendwie sexuell klang.

Und wo bleibt der Nachfolgehit „Golf“?

Ich fand den Kadett immer besser als den Golf. Aber es gibt schon ziemlich viele Opel-Songs. Vielleicht mache ich wirklich eine Golf-Hymne, schließlich war das mein erstes Auto. Leider hatte es einen Totalschaden, noch bevor ich den Führerschein hatte.

Welches deutsche Bundesland hatte 2017 die höchste Durchschnittstemperatur?

Da ich im November mit meiner Megashow in Bayern Halt mache, tippe ich auf Berlin. Anders kann ich mir nicht erklären, dass das Haus, in dem ich wohne, an einen Hessen verkauft wurde, der jetzt wiederum die einzelnen Wohnungen weiterverkauft. Es muss denen hier wohl zu heiß sein.

Zurück zum Thema Musik. Techno oder Schlager?

Techno.

Jarvis Cocker oder Noel Gallagher?

Liam Gallagher.

Ein Ausgehtipp zum Schluss?

Ich gehe nicht aus. Wie gesagt, mein Hobby ist Wohnen. Ich war noch nie im Berghain.

Herr Tulpe, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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