Die Wahrheit: Es frühlingt im Frauenlande
Prompt wirft die Dame von Welt die Partnerwahlsensoren an und ortet die gespannte Lage auf dem Gebrauchtmann-Markt.
Evolutionäre Unruhe keimt jäh unter den Single-Freundinnen auf. Es frühlingt. Sie suchen nach Schnäppchen auf dem Gebrauchtmann-Markt in diversen Datingportalen mit Bedarfskonfigurator. Dabei sollten sie doch eigentlich längst gelernt haben, dass Schnäppchen dort selten zu erjagen sind. Die gehen unter der Hand weg wie wirklich gute Wohnungen. Und die Schlange der wartenden Weibchen unterscheidet sich in der Länge auch kaum von der potenzieller Mieter, die derzeit in den großen Städten vor freien Wohnungen ausharren. Weibliche Vorsicht ist auch bei privaten Kleinanzeigen geboten, in denen so mancher schrottreife Totalschaden aus zweiter oder dritter Hand zum topgepflegten Jahreswagen aufpoliert wird.
Evelyn interessiert sich für ein hochgetuntes Modell mit Panoramadach und ordentlichem Kofferraumvolumen. Er erscheint mit strammen PS zum ersten Date, die Bereifung ist aus weichem, sündteurem Kalbsleder. Der Hochgetunte weiß gar interessante Dinge zu erzählen, erzählt Evelyn. Und er erzählt ihr gern alles lang und tiefschürfend. Dazwischen kommt Evelyn kaum. Fragen stellt er ihr nicht. Auch nicht nach dem zweiten Date. Er fand sie wirklich sehr nett, aber vielleicht doch ein wenig eintönig in ihrer Schweigsamkeit und möchte sich noch ein wenig weiter umsehen.
Marie achtet mehr auf die Ausstattung des Innenraums. Sven hat seine Intelligenz durch größere Mengen Superkraftstoffe im Laufe seines Lebens um einige Prozentpunkte reduziert, aber das fällt bei diesem IQ kaum ins Gewicht. Er studiert im 42. Semester Philosophie und Geschichte und wartet auf die gesetzliche Freigabe der E-Scooter. Seinen Führerschein hat er dreimal schon verloren. Nun müsste er einen Idiotentest absolvieren, aber das ist selbstverständlich unter der Würde eines Hochbegabten. Klar. Sven trifft auch Marie dreimal, sie verbrauchen neuneinhalb Liter guten Roten, dann entscheidet sich Sven für Anna, die gemachte Brüste hat, an denen er sich sicher besser festhalten kann, wenn’s beim Tanken mal ein wenig schwankt.
Reichlich kleine Männer
Svetlana steht auf Kleinwagen. Sie ist selber 1,83 Meter groß, und die Evolution befiehlt ihr, den Nachwuchs größenmäßig nicht ausufern zu lassen. Bei den Minis ist auf dem Gebrauchtmann-Markt einiges zu holen. Männer unter 1,70 Meter gibt es reichlich, und die suchen auch oft große Modelle über 1,80 Meter. Svetlanas Chancen, ein Exemplar zu finden, das einen längerfristigen Parkplatz sucht, sind deutlich höher als die von Evelyn oder Marie.
Guido ist 1,67 Meter klein und stammt aus Tesla. Er lädt Svetlana an seinem selbst gebauten Tisch mit den selbst gebauten Stühlen zu einem selbst gemachten Mahl mit fünf Gängen ein. Guido kommt aus einfachen Verhältnissen, er hat sich überhaupt alles selbst aufgebaut. Er hat drei glückliche Kinder selbst gemacht und möchte auch Svetlana glücklich machen. Im Badezimmer gibt es selbst gemachtes Shampoo, selbst gemachtes Körperdeo, und Sven ist sehr stolz darauf, Svetlanas Orgasmus auch selbst zu machen. Svetlana legt aus für Guido unverständlichen Gründen gleich am nächsten Morgen den Rückwärtsgang ein.
Evelyn, Marie, Svetlana und ich treffen uns zu einem Mädelsabend. Auf gar keinen Fall was Selbstgemachtes, bestimmt Svetlana, und wir bestellen Pizza. Der Pizzabote und sein Auto stammen aus Turin. Parkplatzsorgen kennen beide nicht. Antonio findet es allerdings zu schade, dass vier so hübsche gestandene Frauen im Frühling alleine Pizza essen müssen. Die vier gestandenen Frauen gerade nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?