Die Wahrheit: Sprechende Ohren
Wer in Großbritannien seinem Kind pränatal einen Tort antun will, engagiert eine teure Namensberaterin – dann heißt das Blag mindestens Bentley.
E s gibt merkwürdige Berufe. Mit manchen kann man sogar Geld verdienen. Rachel, eine schwangere Bekannte, erzählte neulich, sie habe sich an eine Babynamenberaterin gewandt, um den perfekten Namen zu finden. Schließlich soll das Kind ja später in den sozialen Medien hervorstechen.
Die Sache sei nicht ganz billig, sagte Rachel, aber den Preis verriet sie vermutlich aus Scham nicht. Meine Nachforschungen im Internet ergaben, dass man in England für die Dienste einer solchen Beraterin mehrere hundert Pfund hinblättern muss. „Die Namensvorschläge für neue Erdenbürger sind handverlesen“, heißt es auf der Webseite der Onomatologin, also der Namenskundlerin. „Wir sind bekannt für attraktive, ungewöhnliche Babynamen, die das Kind mit Stolz tragen wird.“
Bentley, Paisley und Hartley seien auf dem Vormarsch. Will man sein Kind tatsächlich nach einer Automarke nennen? Paisley hingegen dürfte in Nordirland vor allem bei protestantischen Hardlinern beliebt sein, denn so hieß der reaktionäre Pfarrer und Gründer der Democratic Unionist Party. Allerdings mit Nachnamen. Hartley ist jedoch okay. Keef Hartley war der Schlagzeuger von John Mayalls Bluesbreakers und der legendären Band Chicken Shack.
Die Beraterin suche Namen, die „gefällig für das englisch sprechende Ohr“ klingen. Sprechende Ohren? Man solle darauf verzichten, empfiehlt sie, einen Namen auszusuchen, der Teil eines Witzes oder eines Schüttelreims sei. Darauf wäre ich auch ohne Beratung gekommen.
Schauspielerehepaare nennen ihre Kinder gerne nach dem Zeugungsort. Das mag in manchen Fällen gut gehen, aber wer so heißt wie der britische Schauspieler und König der Nebenrollen, Michael Ripper, sollte das Baby nicht Yorkshire nennen, auch wenn es in der nordenglischen Grafschaft gezeugt wurde.
Julie McDowall aus Glasgow kann Vornamen sogar schmecken. Von dieser Krankheit, Synästhesie genannt, sind 0,2 Prozent der Menschheit betroffen. Bei denen ist das sensorische System stark ineinander verschlungen. McDowall behauptet, Georgia schmecke wie ein Wollknäuel, Erin wie ein mit Kakaopulver bestäubter Lutschbonbon, Benjamin wie eine Mischung aus Ingwer und dem durchsichtigen Griff eines Schraubenziehers und Shane wie Möbelpolitur. Der US-Präsident dürfte wenig erfreut sein, dass Donald angeblich wie eine zerschnittene Gummiente schmeckt, die in Essig getaucht ist.
Nachdem eine Zeitung über McDowall berichtet hatte, erhielt sie binnen 24 Stunden mehr als sechs Millionen Anfragen von Leuten, die wissen wollten, wie ihr Name schmeckt. Daraufhin legte sie eine Webseite mit Bezahlschranke an.
Ich kann übrigens Namen riechen. Schicken Sie mir einen Euro, und ich sage Ihnen, wonach Sie duften. Rachel hat bereits bezahlt. Ich erklärte ihr, dass der Name, den die Namenberaterin vorgeschlagen hat, stinke.
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