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Die WahrheitBeim Radiobaron

Kolumne
von Eugen Egner

Wenn das Radio Gedanken lesen kann, wird es Zeit, jemanden von adeligem Geschlecht zu konsultieren. Oder andere Fachleute.

V on Zeit zu Zeit pflegte mich ein gewisser Doktor H. in ein Café einzuladen, wo wir dann bei Kuchen und Tee saßen und mutwillige Reden – auch gegenüber dem Bedienungspersonal – führten, bis das Lokal schloss. Meines Wissens war Dr. H. ein Industrieller, erst später erfuhr ich von den langen, klappernden Metallstangen unter seinem Bett und den Stapeln alter Zeitungen, die seine Wohnverhältnisse stark beengten.

Bei unseren Treffen sprachen wir über alles, was uns einfiel. Einmal berichtete ich von meinem siebzig Jahre alten Wohnzimmerradio, aus dem sich nichtmenschliche Stimmen hören ließen, die genau das wiederholten, was ich einen Moment zuvor gedacht oder gesagt hatte. Ein deshalb konsultierter Rundfunktechniker hatte mir empfohlen, das Radio zwecks genauer Überprüfung zu dessen Hersteller, einem Baron von W., zu bringen.

„Aber das ist barer Unfug“, schloss ich. „Der Baron müsste jetzt ja etwa hundertzwanzig Jahre alt sein! Zufällig weiß ich jedoch, dass er vor gut fünfzig Jahren gestorben ist, nachdem seine Firma schon lange in Konkurs gegangen war. Meine Eltern waren damals auf seiner Beerdigung.“

Mit einer Bewegung seiner Kuchengabel gebot Dr. H. mir zu schweigen. Als einer, der alle kannte und alles über sie wusste, unterrichtete er mich davon, dass Baron von W. noch immer seine Radiofabrik in Norddeutschland betrieb. Ich konnte es nicht fassen. „Fahren Sie hin und überzeugen Sie sich selbst.“

Rohmaterial für 16,50

Die Rechnung kam. Ich hatte Rohmaterial für 16,50 Einheiten verzehrt. Alle übrigen Positionen waren durchgestrichen. Dr. H. zahlte, und wir nahmen Abschied von einander. „Denken Sie an meine Worte!“, rief mir mein Gönner nach, dann verschlang uns die Nacht.

Auf dem Heimweg dachte ich über Dr. H.s Worte nach. Wenn er die Ansicht vertrat, Baron von W. produziere nach wie vor Radiogeräte am selben Ort wie vor rund siebzig Jahren, war ich bereit, ihm zu glauben, solange nicht der Gegenbeweis erbracht war. Aus diesem Grund nahm ich die beschwerliche Bahnreise nach Norddeutschland auf mich.

Am anderen Ende der zu überwindenden geografischen Distanz stieg ich aus. Die Vögel auf dem Bahnsteig sahen mich seltsam an. Zu der Radiofabrik war es nicht weit, ich fand sie ohne Richtstrahlen. Tatsächlich war alles noch so wie zu der Zeit, als meine Mutter dort in der Buchhaltung gearbeitet hatte. Baron von W. erinnerte sich, ihr zur Hochzeit das Radio geschenkt zu haben, das ich ihm nun wegen einer Beanstandung zurückbrachte. Er schloss es an eine Steckdose an und schaltete es ein. Sobald die Röhren warm waren, ließen sich die nichtmenschlichen Stimmen aus dem Lautsprecher hören.

„Was ist das?“, fragte ich gemütsbewegt. Der Baron antwortete: „Dämonen, die aus alten Fotos herauskommen. Sie haben zwei linke Ohren.“ Wenn ich auch darüber erschrak, wusste ich jetzt doch wenigstens, woran ich war.

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