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Die WahrheitSchnarchologe mit Traumtourette

Frank Schäfer
Kolumne
von Frank Schäfer

Heißa! Ein Wochenende im „beige geklinkerten Siebziger-Jahre-Touri-Pandämonium“ könnte so schön sein, wäre da nicht …

W ir freuten uns auf zwei Tage Dröhnung nebst Kost und Logis beim „Metal Hammer Paradise“, dem Festival für Altersruinen, die zwar nicht mehr so können, aber immer noch wollen. Wir freuten uns also auf ein Wochenende in einem beige geklinkerten Siebziger-Jahre-Touri-Pandämonium am Weissenhäuser Strand, das uns schon mal einen Ausblick gönnte auf das Ende. Immerhin, die Betten waren weich, die Ostsee war nah und der durchgängige Krach von 27 Bands übertönte leicht die nicht immer appetitliche Geräuschkulisse einer Versammlung von Geronten.

Zum dritten Mal, wir freuten uns, aber dann kam der Veranstalter wohl dahinter, dass er eingekocht werden sollte, weil ich mich auf die Gästeliste eingeschlichen hatte, und auf einmal war von Kost und Logis nicht mehr die Rede. Notgedrungen wanzten wir uns an unseren jungen Kollegen Till Burgwächter heran, der uns dann unter großem Geknurre („Ich bin Künstler, ich brauche Ruhe!“) in sein exklusives Artist-Apartment schmuggelte.

Burgwächter ist ein gefürchteter Metal-Satiriker und seine Waffe nicht das Florett, auch nicht der Säbel, sondern die Stalinorgel. Er sollte lesen auf dem Festival. Passenderweise spielten gleichzeitig Night Demon, die aktuellen Genrehelden. Wir würden uns also davon überzeugen, dass seine Lesung vor leerem Saal stattfände, um dann mit einem „Tschüss Till, wir ­gehen zu Night Demon!“ zu Night Demon zu gehen. Das war der Plan. Unpassenderweise quoll der Saal über. Hauptsächlich Frauen.

Bei „Armord Saint“ trafen wir uns wieder. Er hatte sich seine Gage ausbezahlen lassen und den unbedingten Willen, sie hier und jetzt durchzubringen. „Da, wo ich hinwill“, polterte er, „kann ich nichts mitnehmen!“ Wir sahen uns panisch an. Burgwächter ist zwar als Metal-Satiriker eine Instanz, aber eine veritable Macht als Schnarchologe mit Traumtourette. Je größer sein Blutalkohol, desto härter die Kämpfe, die er mit Morpheus und seinen Schergen auszufechten hat.

Acht Stunden später lagen wir in seinem Apartment. Wir hatten es hinauszuzögern versucht, aber irgendwann muss ein alter Mann tun, was ein alter Mann tun muss. „Na dann, gute Nacht“, brüllte der abgefüllte Troll aus dem Schlafzimmer nebenan. Es klang nicht nur wie eine Drohung, es war eine. Schon nach kurzer Zeit begann er Stunk anzufangen mit seinen Dämonen.

Es ächzte dieses Urviech mit Volldampf durch das Unterholz. Schließlich warf er sich in eine Senke, holte Atem, um danach mit Gebrüll einen erneuten Gegenangriff zu starten. So ging es eine Weile hin und her. Bis er am Ende zum entscheidenden Schlag ausholte. „Bäm! Bäm! Fuck! Fun!“, donnerte er. Der Sieg war seiner.

Geschafft warf er sich in seine Klamotten und ging auf den Balkon zum Rauchen. Wir waren endlich eingeschlummert, als uns erneutes Geblaffe zurückholte. „Wachwerden, ihr Säcke! Wer hat die Lesekohle aus meinem Portemonnaie geklaut?“

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Frank Schäfer
Lebt als Schriftsteller in Braunschweig. Neben Romanen und Erzählungen erschienen diverse Sachbücher und Essaybände zur Literatur- und Kulturgeschichte. Zuletzt: Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell. Eine Biographie (Suhrkamp); Hühnergötter. Roman (Limbus); Notes on a Dirty Old Man (Zweitausendeins).
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