Die Wahrheit: Kiwi-Test bestanden?
Neues aus Neuseeland: Zurück aus Übersee fragt sich eine Doppelbürgerin, ob sie womöglich zu multikulti für das plötzlich so patriotische Aotearoa ist.
A nfang Oktober kehrte ich aus Europa zurück, reichte der freundlichen Zollbeamtin meinen neuseeländischen Pass und war wieder daheim am schönsten Arsch der Welt. Fast entfuhr mir vor Freude ein Haka-Klatscher mit Gebrüll als Ankommensgeste. Doch dann las ich die Zeitungen. Seitdem hängt die lange dunkle Wolke der Verunsicherung über meinem Doppelbürgertum.
Habe ich mir das Privileg, mich Kiwi zu nennen, unter Vortäuschung falscher Tatsachen erschwindelt? Bin ich doch zu multikulti für diesen kleinen und konformen Kontinent? Gibt es gar bald eine vorgeschriebene Smartphone-App, die mich als Gedankenpolizei dabei ertappt, wenn ich mich nicht-neuseeländisch verhalte?
Während ich „overseas“ war – und damit mache ich mich eventuell bereits verdächtig –, preschte die patriotischer als ich eingestimmte Mini-Partei NZ First vor, die auch unseren stellvertretenden Premierminister stellt, und schlug ein neues Gesetz vor: „Respecting New Zealand Values“. Wer in Aotearoa einwandern will, soll nachweisbar mit unseren egalitären Grundwerten wie Gender-Gleichstellung oder sexueller Vielfalt übereinstimmen.
Klingt ja erst mal nicht schlimm. Aber die Polittruppe um Winston Peters hat sich seit Anbeginn ihrer Existenz weder feministisch noch schwulenfreundlich profiliert, sondern vor allem fremdenfeindlich. Gern warnt NZ First vor der „gelben Flut“ der asiatischen Einwanderer. Seit Wochen läuft nun das Palaver darüber, was denn eigentlich diese ominösen Kiwi-Werte sind, die es zu verteidigen und abzuklopfen gilt.
Auch ich frage mich das. Habe ich mir nicht mühsam das Meckern abgewöhnt, mag Feijoas, kenne mindestens einen Dave Dobbyn Song und besitze zwei Paar Gummistiefel? Dass ich noch kein Rugby-Spiel zu Ende geschaut habe, könnte das Ergebnis jedoch ins Negative verzerren. Das lässt sich aber mit genug Ski- und Surf-Verletzungen wettmachen, die ich im Land der Sportfanatiker zwecks Assimilierung erlitten habe.
Ich kann „Hallelujah“ von Leonard Cohen auf Maori singen. Okay, zumindest den Refrain – „Hareruia“. Ich verstehe alle Witze bei „Flight of the Conchords“. Ich kann ein Zelt aufbauen und ein Lagerfeuer anzünden. Ich würde nie mehr auf die Idee kommen, jemanden als Erstes direkt nach seinem Beruf zu fragen. Ich kann eine Pavlova-Torte backen und besitze das „Edmond’s Cook Book“. Und als Prinz Harry und seine Meghan diese Woche bei uns einfielen, war auch ich entzückt.
Doch der NZ-First-Abgeordnete Clayton Mitchell, der hinter dem umstrittenen Gesetzentwurf steht, verkörpert trotz Xenophobie eine bessere Leitkultur. Er besitzt eine Bar in Tauranga und hat letztens eine Parteispende der Alkohol-Lobby angenommen. In seinem Etablissement wird als kiwianisches Kulturgut gern Zwergen-Curling dargeboten. Ein eingeölter Liliputaner wird dafür eine Plastikbahn heruntergeschubst. Ich muss noch einiges lernen.
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