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Die WahrheitDie wunderbaren Mumien

Kolumne
von Eugen Egner

Auf der Suche nach einem Hifi- und Fernsehtechnik-Geschäft kann man schon mal ins Halbdunkel einer Wunderschau geraten …

M it dem Inhaber eines völlig heruntergekommenen Hifi- und Fernsehtechnik-Geschäfts musste ich dringend etwas besprechen, konnte jedoch den in einer Seitenstraße gelegenen Laden nicht mehr finden. Ratlos irrte ich seit Tagen durch die Innenstadt.

Auf dem Marktplatz hatte neuerdings eine „Wunderschau“ ihr Zelt errichtet. Für jede Ablenkung dankbar, kaufte ich mir an der Kasse eine Eintrittskarte. Halbdunkel empfing mich in dem großen Zelt. So viel ich sehen konnte, war ich der einzige Besucher. Ich begann meinen Rundgang und gelangte als Erstes zu einem abgedunkelten Kabinett. Es enthielt drei große Glasvitrinen.

In der ersten war eine Mumie ausgestellt. Beim Näherkommen erschrak ich fast zu Tode und glaubte, eine Halluzination zu haben, denn die erstaunlich gut erhaltene Mumie sah aus wie ich selbst. Fassungslos starrte ich meinen leblosen Doppelgänger an.

Im Informationstext zu dem Exponat stand, die Mumie sei von „elenden Leuten“ irgendwann irgendwo ausgegraben worden. Obwohl sie nicht von ihr begeistert gewesen seien, hätten sie sie trotzdem einem bösartigen alten Mann bringen wollen, der über ihr Dorf herrschte. Um sie besser tragen zu können, hätten die Leute die Mumie in kleinere Teile zerlegt. Der Alte, hieß es, habe die Einzelteile dann neu zusammengesetzt, so dass eine „unwiderstehlich attraktive junge Frau“ daraus wurde, die seinem Willen unterstand. Sie habe er mit dem Auftrag ausgesandt, seine Rivalen umzubringen.

Ich taumelte zur nächsten Vitrine. Darin lagen die Einzelteile der Mumie und in der übernächsten die zusammengesetzte „unwiderstehlich attraktive junge Frau“. In ihr glaubte ich mich ebenfalls zu erkennen, obwohl ich ein unscheinbarer alter Mann bin. Irritiert erkundigte ich mich bei der Aufsicht und erfuhr, die Mumien besäßen die Fähigkeit, ihren Betrachtern zu suggerieren, sie sähen das eigene Ebenbild in ihnen. Niemand könne erklären, wie dieser Effekt zustandekomme.

Bis jetzt war ich ausgesprochen beeindruckt. Diese „Wunderschau“ hatte wirklich etwas zu bieten, und ich war gespannt, was noch käme. Um zu den folgenden Attraktionen zu gelangen, musste ich durch einen dicken, schweren Vorhang schlüpfen – und fand mich draußen auf der Straße wieder. Direkt vor mir stand das Haus mit dem heruntergekommenen Hifi- und Fernsehtechnik-Geschäft, das ich so lange vergebens gesucht hatte.

Ich überlegte nicht, wie das möglich sein könnte, sondern trat schnell ein. Im Laden war niemand, deshalb sah ich im Hinterzimmer nach. Dort traf ich niemand anderen als die „unwiderstehlich attraktive junge Frau“ dabei an, wie sie den anscheinend toten Ladenbesitzer zum Hinterausgang schleifte. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich höflich. Die Frau antwortete: „Nein danke, ich schaffe es schon allein.“ Da mit dem Inhaber des Ladens unter diesen Umständen nicht zu reden war, ging ich nach Hause.

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