Die Wahrheit: Barfußhipster auf Kollisionskurs
Der neueste heiße Scheiß aus San Francisco ist, auf nackten Füßen laufen. Glaubt Raimund und ist sich der Gefahren für seine kühlen Sohlen nicht bewusst.
O ha“, sagte Luis, „ein Hobbit im Café Gum!“ Wir folgten den Fußspuren von der Eingangstür Richtung Theke. „Hobbits“, erklärte er mir, „gehen immer barfuß.“ An der Theke stand Raimund, und seine Füße kuckten nackt aus den Hosenbeinen hinaus. „Allerdings“, fuhr Luis fort, „hat dieser hier viel zu kleine Füße. Außerdem sind Hobbitfüße wollig behaart wie ein Hipstergesicht. Diese hier hingegen sind nackt wie der Schädel von Telly Savalas selig. Kombiniere: Es ist kein Hobbit.“
Raimund seufzte. „Wahrscheinlich“, sagte Luis, „werden wir gleich eine atemberaubende Geschichte zu hören kriegen, in der von einem plötzlichen Treibsandvorkommen auf dem Goetheplatz berichtet wird, dem unser Held nur mit Mühe und Not und unter dem Verlust seines Schuhwerks entkam.“
Raimund seufzte wieder. „Und was für eine Vermutung hast du, old boy?“, sagte er, mich anblickend. Ich war mir, ehrlich gesagt, ziemlich sicher, dass es etwas mit dem Gesundheitstick zu tun haben musste, den er neuerdings entwickelt hatte. Ständig saß er in einem Arztwartezimmer, weil er mal wieder auf ein Symptom für eine todbringende Krankheit gestoßen war, ständig probierte er Pillen und Essenzen aus, die angeblich schon Methusalem dabei geholfen hatten, 969 Jahre alt zu werden.
„Ich schätze“, sagte ich, „dass du in der Apotheken Umschau oder einem anderen Fachorgan gelesen hast, dass Barfußgehen den Blutdruck senkt, Alzheimer vorbeugt und überhaupt für ewige Jugend sorgt.“
„Mann!“, schnaufte Raimund: „Ihr seid echt die ahnungslosesten Provinzdaddel, die man sich vorstellen kann. Wenn ihr’s genau wissen wollt: Barfußgehen ist das neue Rauchen.“ „Ba-wa?“, stotterte Luis. „Jawohl“, sagte Raimund: „Es ist cool und absolut lässig. Kuckt euch die unangepassten jungen Leute in San Francisco an: Sie pfeifen auf die bürgerlichen Bekleidungsregeln und gehen barfuß!“
„Wann warst du denn das letzte Mal in San Francisco?“ – „Phh“, machte Raimund und ignorierte den Einwand: „Wenn das berühmte Foto von James Dean auf dem Times Square heutzutage gemacht werden würde, hätte er keine Kippe im Mund: Er wäre schlicht barfuß.“
„Hätte er nicht eher einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand? Und ein Smartphone vor der Nase?“, sagte Luis. „Außerdem“, sagte ich, „bist du doch viel zu empfindlich, um ständig barfuß rumzulaufen. Du wirst dir ruckzuck eine Erkältung holen!“
„Ich sag’s doch“, flüsterte Raimund kopfschüttelnd: „Provinzdaddel, Landeier …“ Er trank sein Bier aus und verließ das Gum, und als er zwei Tage später ins Krankenhaus eingeliefert wurde, lag das tatsächlich nicht an einer Lungenentzündung, sondern daran, dass er auf dem Goetheplatz mit einer Frau kollidiert war: Sie hatte ihn übersehen, da sie gerade ihre Nachrichten checkte, weshalb sie ihm erst einen Stilettoabsatz in den einen Fuß bohrte und dann vor lauter Schreck auch noch ihren glühend heißen Kaffee über den anderen schüttete.
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