Die Wahrheit: Nessi, Mottenmann, Bigfoot und Yeti
Wie erfolgreich oder auch erfolglos der Sommer für die Sommerlochphantome verlaufen ist, das diskutiert gerade Reutlingen mit Verve.
N un ist das Sommerloch 2017 vorbei und es wird wieder Zeit für eine Bestandsaufnahme. Wie immer Anfang September treffen sich Nessi, Mottenmann, Bigfoot und Yeti als Vorsitzende des jährlich stattfindenden Kryptidenkongresses in der mit Primeln und Blattgold geschmückten Turn- und Festhalle von Reutlingen, um darüber zu diskutieren, wie erfolgreich oder auch erfolglos der vergangene Sommer für die Sommerlochphantome verlaufen ist, wer vielleicht doch ein Lob oder gar eine Auszeichnung verdient hätte und wer geschmäht oder abgemahnt werden sollte.
Schon um 16.30 Uhr werden die Bediensteten aktiv: Eine Hydra putzt sorgfältig die Pagenkappen auf ihren unzähligen Köpfen, um angemessen zum Empfang der bald eintreffenden Gäste gekleidet zu sein. Ein Riesenkrake sortiert Garderobenmarken so flink, dass sich Generationen von Hütchenspielerbanden noch in hundert Jahren davon erzählen würden, hätten sie es nur gesehen, und der Sicherheitschef der ganzen Veranstaltung, der Tatzelwurm, ringelt sich schnarchend um das Personalklo, weil er bis 18.30 Uhr noch keine Schwierigkeiten erwartet.
Doch so nach und nach treffen die Kandidaten ein: Zunächst eine verbittert aussehende Schnappschildkröte, die es dieses Jahr nicht in die Schlagzeilen geschafft hatte, aber dennoch unbedingt einen Soundcheck will: Ächzend schleppt sie sich zum Rednerpult, rülpst ins Mikro, blickt einmal in den leeren Saal, lässt sich stöhnend zu Boden sinken, zieht Kopf und Gliedmaßen in den Panzer und bleibt für den Rest des Abends so auf der Bühne liegen.
Dann kommt ein Alligator, der schon am Bühneneingang in einen so heftigen Streit mit einem Problembären gerät, dass eine Kuh, die ebenfalls für irgendwas nominiert ist, sich gar nicht mehr an den Veranstaltungsort traut, sondern direkt auf den nächsten Tiertransporter zum Schlachthof springt. Der Alligator und der Problembär bestehen auf getrennte Garderoben und lassen verlauten, dass sie unter gar keinen Umständen auftreten werden.
Der absolute Stargast, ein Riesenwels, der schon 100 Dackel samt Leine am Ufer eines Teiches aufgefressen hat, taucht gar nicht erst auf, und auch Reinhold Messner findet mal wieder wie stets nicht den Weg nach Reutlingen.
Wie immer entzündet sich ein Streit, wer von allen echter und berühmter ist. Es dauert nur 30 Minuten, bis alle Kandidaten beleidigt in ihre jeweiligen Löcher, Bäume, Wälder und Gletscher zurückkehren und sich schwören, nächstes Jahr nicht mehr zur Preisverleihung nach Reutlingen zu kommen.
Doch das Leben geht weiter: Noch lange sieht man Nessi, Mottenmann, Bigfoot und Yeti in der Turn- und Festhalle von Reutlingen über verschwommenen Fotos und seltsamen Zeitungsausschnitten hocken, um darüber zu beraten, welches Sommerlochtier im nächsten Jahr eingeladen werden soll. Es dauert dann nur knappe 25 Minuten, bis es zwischen Nessi, Mottenmann, Bigfoot und Yeti zum Streit kommt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!