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Die WahrheitLob dem Schniedel, Fluch dem Dödel

Die große Wahrheit-Sommer-Debatte über Organe. Folge 7: Der Penis. Ein Pro und Contra zu dem drangekneteten Ding.

Illustration: Ari Plikat

Warum das Ding geliebt werden muss

Das männliche Begattungsorgan ist ein anatomisches Stück der Spitzenklasse. Evolutionsbiologisch gesehen ein Kitzler mit Überlänge, hat sich die „Weißwurst mit Pulsschlag“ (Horst Seehofer) über die Jahrtausende glänzend entwickelt. Heute hat der Penis rund 4.000 Nerven, darin nur noch übertroffen vom Anus (235.000).

Der „Magicstick“ (David Copperfield) ist wahrlich ein Chamäleon. Er ist das einzige Organ, das sich aufrichten kann, neben Körperteilen wie Arm, Zunge und Bein. Manche männlichen Wesen können ihn sogar abkoppeln, wie die Papierbootkrake: An einer Sollbruchstelle bricht der Penis kurz vor der Begattung ab und bewegt sich selbstständig in Richtung Weibchen, das Männchen zieht derweil den Hut und verschwindet. Bei Menschen geht das leider bislang noch nicht.

Unglaublich formenreich schwankt die Größe der menschlichen „Geleepistole“ (Katrin Göring-Eckardt) zwischen 7 Zentimetern in Niederbayern und 28 Zentimetern im Saarland. Wobei die Saarländer auch die größten Nutzer sogenannter Penisverlängerungen sind, die besonders gern Besitzer von schnittigen Sportwagen an sich vornehmen lassen.

Die Nutzungsmöglichkeiten des Penis sind so vielfältig, wie seine Symbolkraft berühmt ist: In den Phalluskulten verschiedener frühzeitlicher Kulturen galt der erigierte Penis als Zeichen von Leben, Kraft und Fruchtbarkeit. Dass er im germanischen Totenkult eher als Zeichen von Tod, Ekel, Schwäche und ungewaschenen Ohren galt, war überhaupt nicht gerechtfertigt.

Im 17. Jahrhundert trug Katharina die Perverse mehrere Husarenpenisse aneinandergesteppt als Schal. In der Pueblo-Kultur im Südwesten Nordamerikas steckten sich die Männer frisch gekochte Maiskolben in den Po und tanzten nackt ums Feuer, während in nordhessischen indigenen Dörfern noch heute bizarre Junggesellenriten verbreitet sind: Kampfspiele wie das traditionelle „Penishakeln“ leben dort ungebrochen fort.

Mit einem Penis lässt sich außerdem viel Gutes bewirken. So wie Arminius der Cherusker, der in der Varusschlacht im Teutoburger Wald die Römer mit seinem monströsen „Hosenteufel“ (Kleopatra) in die Flucht schlug und weit über die Alpen zurückdrängte. Oder Neil Armstrong, der – einmal der Erdanziehungskraft entledigt – mit seiner „Wünschelrute“ (Margot Käßmann) auf dem Mond die erste Wasserader entdeckte.

Der wichtigste Pluspunkt jedoch ist: Penisse sehen extrem gut aus. Was für ein Shape, was für eine Statur: Ein Baumeldings und zwei Hoden in einem einzigen Säckchen – auch wenn alle Mädchen unter sechzehn Jahren dem Glauben frönen, es seien zwei. Und das alles zusammengenäht in akkuratem Kreuzstich, wovon die hübsche Vorhautnaht seit Jahrtausenden zeugt. So formschön ist das ganze Gemächt, dass die Finnen noch bis weit ins 20. Jahrhundert in die Penisse Verstorbener Reißverschlüsse hineinnähten und sie anschließend als Federmäppchen verkauften.

Vieles ließe sich noch lobend hervorheben. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Eichel des Sumatra-Nashorns aussieht wie ein Ferkelkopf mit Rüssel und Schlappöhrchen? Oder dass ein Tao-Meister aus Hongkong jüngst per Glied 280 Kilo Gewicht stemmte und darauf eine Tasse Grüntee stand? Oder dass die Länge eines Penis stets mit der Breite des Grinsens seines Besitzers korreliert?

Aber all das kann man auch auf informativen Internetseiten wie beckenbrecher.de nachlesen. Oder einfach Mutter oder Großmutter fragen. Nur zu!

Ella Carina Werner

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Warum das Ding verdammt werden muss

In der Grundschule sollten wir mal „versaute“ Wörter für Sexualorgane an die Tafel schreiben. Meine Klassenkameraden warteten mit „Schwanz“, „Dödel“ und „Lustbolzen“ auf, ich mit „Pipimann“. Ich war eher ein Spätzünder und das Pipi doch des Penis Funktion! Schon damals dachte ich: Was für ein Fehlkonstruktion der Penis doch ist! Ein Abwasserkanal mitten durch die Amüsiermeile?!

Ein Jahr meiner Pubertät vergeudete ich mit der Befürchtung, meiner Partnerin beim Verkehr aus Versehen in die Vagina zu pinkeln. Zehn weitere Jahre brauchte ich für die Erkenntnis, dass Vaginen mich überhaupt nicht interessierten, sondern eben Penisse. Ich schämte mich – nicht, weil ich das verwerflich fand, aber mussten die Dinger so hässlich sein?

Inzwischen habe ich viele Penisse gesehen und kann bestätigen: Ein vierblättriges Kleeblatt findet sich leichter als ein schöner Penis. Der Penis ist ein völlig vergurktes Organ.

Allein diese Sache mit Blutpenis und Fleischpenis! Ersterer schwillt beim Erigieren auf das Fünffache an, Fleischpenisse klappen einfach nur hoch. Zwei völlig verschiedene physikalische Prinzipien! Das eine ist Hydraulik, das andere Mechanik! Man stelle sich vor, andere Organe wären nach dem Vorbild eines Blutpenis konstruiert: Beim Denken schwillt der Kopf auf die fünffache Größe an. Beim Joggen werden die Füße größer!

Der Penis ist der beste Beweis gegen den Kreationismus: Kein vernunftbegabter Gott kann sich so was ausdenken. Augen lassen an eine höhere Schaffenskraft denken, aber die haben nicht so eine absurde Variationsbreite wie Penisse! Ich hatte mal einen Penis in der Hand mit 90-Grad-Winkel! (Sorry, Lukas). Überhaupt: Was ist das für ein Organ, das einfach außen zwischen den Beinen am Körper angepappt wurde wie ein Rest Kinder­knete? Das ist doch der Katzentisch der Physiognomie!

Und wieso wollte der Körper den Penis nicht in der Bude haben? Weil Penisse stinken! Kein Organ müffelt so schnell, wenn man es mal nicht wäscht. Stinkt ein Ohr nach einem Tag? Eine Nase, das Knie? Nein. Aber Penisse stinken nach wenigen Stunden. Sie machen immer Flecken.

Ständig sitzen sie nicht richtig. Kein Organ muss so oft geordnet werden wie der Penis. Man stelle sich vor, andere Organe wären so unpraktisch angeschraubt! „Tschuldigung, Ihnen ist grad Ihr Auge verrutscht.“ – „Autsch! Ich habe mir die Milz im Reißverschluss eingeklemmt!“ Und der Mann, der sich nicht einmal in seinem Leben etwas Vorhaut eingeklemmt hat, möge bitte jetzt nicken. Wer jetzt nickt: Viel Spaß, Sie haben es noch vor sich.

Penisse tun nie das, was sie sollen. Teenager können davon ein gestandenes Lied singen und müssen deshalb hässliche Boxershorts tragen. Penisse haben es nicht so mit Timing. Das Eigenleben der Penisse ist ähnlich nervtötend wie die Verdauung. Penisse sind die Verdauungsorgane der Lust und eine Gefahr für die Zivilisation! Sie bringen Unheil über die Welt: Ihretwegen werden Frauen drangsaliert, Kriege geführt, idiotisch große Geländewagen auf Radwegen geparkt. Kein Mensch braucht Penisse! Sie würden auf Amazon nicht mehr als zwei Sterne kriegen. Menschen, die sich für Penisse interessieren, interessierten sich auch für Schlagstöcke, Seegurken und Käsekrainer.

Eine Welt ohne Penisse wäre eine bessere Welt. Die Menschheit lebte in Frieden, vermehrte sich durch Zellteilung, und Orgasmen bekäme man vom gegenseitigen Kniestreicheln – ganz ohne Flecken und Krieg.

Volker Surmann

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