Die Wahrheit: Der Zug war unpünktlich

Auch die schottische Eisenbahn hat mit dem Brexit zu tun. Dass die schottische Labour Party ihre Finger dabei im Spiel hat, macht es nicht besser.

Was hat Brexit mit der schottischen Eisenbahn zu tun? Eine ganze Menge, wenn die schottische Labour Party ihre Finger im Spiel hat. Es gibt diese Partei tatsächlich noch, auch wenn sie nur einen einzigen Sitz im Londoner Unterhaus hat und im Regionalparlament in Edinburgh hinter die Tories auf den dritten Platz gefallen ist.

Kezia Dugdale, voriges Jahr zur Parteichefin gewählt, sollte den Karren aus dem Dreck ziehen. Doch dazu müsste sie sich eine eigene Meinung zulegen. Den ganzen Sommer über hatte sie ungefragt hinausposaunt, dass sie Premierministerin Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP) bei ihren Bestrebungen unterstützen werde, damit Schottland trotz britischem Brexit in der Europäischen Union bleiben könne.

Vor drei Wochen überlegte sie es sich anders. Sie könne das nicht länger befürworten, weil niemand wisse, wohin die Reise gehen werde. Da ihre Kehrtwende bei der Wählerschaft nicht gut ankam, suchte sie geschwind nach einem Ablenkungsmanöver. So fiel sie über die schottische Eisenbahn her, und die Medien, die mehrheitlich ohnehin gegen die SNP sind, spielten freudig mit.

Die Eisenbahn stecke in der Krise, die Unpünktlichkeit sei eine Schande, und der Transportminister Humza Yousaf gehöre in die Wüste geschickt, tönten Dugdale und die Medien im Chor. Dass die Eisenbahngesellschaft die Verspätungen in eben jenen Medien angekündigt hatte, weil sie verschiedene Strecken verbessern wollte, spielte keine Rolle. Dass die schottische Eisenbahn bedeutend zuverlässiger ist als die walisische, behielt man ebenfalls für sich, denn in Wales regiert Labour. Die Sau wurde zwei Wochen lang durchs Dorf getrieben, dann war Dugdales Brexit-Herumgeeiere vergessen.

Dabei hätte man durchaus ein wenig weiter machen können. Die 642 Millionen Pfund teure Hochrüstung der Bahnstrecke zwischen Glasgow und Edinburgh, die in dieser Woche abgeschlossen sein sollte, musste nämlich um sieben Monate verschoben werden, weil die elektrischen Kabel zu tief montiert worden sind. Züge würden sich darin verheddern.

Im Grunde spielt das aber gar keine Rolle. Bei der offiziellen Wahl zur „beschissensten Stadt Großbritanniens“ teilen sich Edinburgh und Glasgow regelmäßig den vierten Platz. Wozu sollte man also hin und her fahren? Im Grunde könnte man auf eine Eisenbahnverbindung zwischen beiden Städten verzichten, weil man vom Regen in die Traufe geriete. Die vier Labour-Abgeordneten aus Glasgow könnten die 66 Kilometer zum Regionalparlament nach Edinburgh ja trampen.

Andererseits landen beide Städte bei einer anderen Umfrage stets unter den hundert schönsten Städten der Welt. Das lässt sich wohl damit erklären, dass die Edinburgher gerne Glasgow zur beschissensten Stadt wählen – und umgekehrt. Bei der Wahl zum schönsten Ort geben die Menschen natürlich ihrer Heimatstadt die Stimme. Oder sind in Wirklichkeit lauter Kezia Dugdales am Werk, die dauernd ihre Meinung ändern?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari
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