Die Wahrheit: Ruhig, Braunster!

Die Wahrheit ist heute zu Besuch bei Werner von Goldbraun, dem farbenstarken Chef des Braunschweiger „Chalet Chamoix“.

Mehrere Spieler des 1. FC St. Pauli liegen am Boden

Erdverbunden geben sich die St.Paulianer bei ihren Siegesfeiern in dem traditionell braunen Trikot Foto: reuters

Wir leben in einem Land, das 235 Namen für Braun hat. So viele Brauntöne hat nämlich ein Wortsammler gefunden und ins Netz gestellt. Wenig verwunderlich also, dass eine Modedesignerin aus dem Land der 235 Brauntöne diesen Winter zum „farbstarken Winter in Brauntönen“ ausruft.

Ein ambitioniertes Unterfangen, denn Braun galt schon im Mittelalter als die hässlichste aller Farben. Was liegt da näher als ein Besuch bei einem Farbtonexperten? Wir besuchen erwartungsvoll das frühere „Studio Braun“, das sich jetzt eleganter „Chalet Chamoix“ nennt. Der wuchtige Chef empfängt uns persönlich in seinem gebranntsienafarbenen Studio in der Braunschweiger Altstadt. Er nennt sich Werner von Goldbraun und trägt sepiafarbenes Flanell. Zum Frühstück verspeist er gerade eine Portion Braunkohl mit Pinkel.

Der Boden ist ausgelegt mit einem ins Maronenfarbene mellierenden Velours-Flokati und eine rehäuige, brünette Mitarbeiterin reicht uns ecrufarbenes Gebäck zum mokkafarbenen Mokka. „Willkommen im Wortlabor“, tönt von Goldbraun mit seinem mächtigen Brauniton . . ., pardon – Bariton. „Schön, dass sich jemand für unser Anliegen interessiert, die Rehabilitierung der schönen Naturfarbe Braun.“

Das ist nicht leicht, „denn Braun war die Farbe des Pöbels“. Arme Bauern, Knechte und Bettler trugen die billigen ungefärbten Naturstoffe, und die waren braun. Braun war auch die Trauerfarbe der Armen, denn Schwarz konnte man sich nicht leisten. Wie sagt das Volkslied: „Ich bin ein armer Knecht, schwarzbraun will ich mich kleiden.“

Braun als Bewegung

Das klingt ja ganz sympathisch, aber wie sieht es mit der zweifelhaften Rolle der Farbe im Braunen Reich aus, fragen wir unnachgiebig. Goldbraun kennt den Vorwurf, er verweist routiniert darauf, dass der Aufstieg des Brauns zur Farbe der Bewegung eher zufällig zustande kam und der Sparsamkeit des Führers geschuldet war. Der spätere Ehrenbürger von Braunschweig und Sohn der Stadt Braunau hätte damals einen günstigen Posten braunen Stoffs erworben, aus denen dann die ersten Braunhemden geschneidert worden seien.

Im Fußball pflegt nur der FC St. Pauli sein erdbraunes Image als Trupp von Schlammtretern

Obendrein herrschte im damaligen Straßenbild Braun vor, die Farbe soll seinerzeit die häufigste Alltagskleidung gewesen sein. „Das weiß nur keiner, weil es damals nur Schwarz-Weiß-Fotos gab!“, belehrt uns Goldbraun beiläufig. „Und die fatale Bedeutung des Brauns in der heutigen Politik?“, haken wir interrogativ nach. „Kein Thema“, erwidert der Farbfachmann, „es gibt heutzutage weltweit keine einzige Partei, die Braun zu ihrer Farbe erkoren hat. Selbst im Fußball ist Braun verpönt. Mit einer Ausnahme: St. Pauli – und das ist ja ein Verein, der politisch korrekt ist. Vermutlich pflegt der Verein so einfach das erdige Image als Schlammtretertruppe.“

Imagewandel kommt

Doch beim Schmuddelkinder-Image der Farbe Braun soll es nicht bleiben. Als Modefarbennamendesigner hat sich Werner von Goldbraun den Imagewandel der verpönten Farbe auf die eierschalenbraunen Fahnen geschrieben. Der verspielte Verbalästhet möchte die gesamte braune Farbpalette sprachlich neu erfinden: Das schmutzige Erdbraun wird bei ihm zum leuchtenden „Siena“ und das ordinäre Kackbraun zum nonchalanten „Karamell2. St. Paulis Schlammfarbe mutiert bei ihm zum frankofonen „Schlammois“.

Auf den „farbstarken Winter in Brauntönen“ angesprochen, kräuselt der Farbmaestro spöttisch die Lippen: „Viel zu bieder!“ Da müsse man die Sprache kreativ bräunen, meint er: „Winter in Chamoix“, „Frühling in Terracotta“, der „Sommer in Taupe“ und der „Herbst in Maron“ – das wäre ein brünetter Jahreszyklus nach dem Geschmack von Werner von Goldbraun, dem braunbunten Vogel der Werbepoesie!

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kari

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