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Die WahrheitZahlen, bitte!

In unseren unruhigen Zeiten war zumindest die Bedeutung der Ziffern stets sicher – bis jetzt. Viele Verbraucher sind nun verunsichert.

Illustration: Leo Riegel

Die wilde Dreizehn, die glorreichen Sieben, ein flotter Dreier: Zahlreiche Deutsche glauben daran, dass Zahlen nicht nur zum Addieren da sind, sondern stets auch eine symbolische Botschaft in sich tragen – auf gut Neudeutsch: Numerologie. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Numeronomie ist die mystische Bedeutung der Zahlen eine seit Jahrtausenden bewährte Heilmethode.

Wo die traditionelle Schulmathematik versagt, vertrauen Numerologen darauf, dass es bei Zahlen vor allem auf die richtige Einstellung ankommt. Und wirklich: Gleich ob Geburtstag, Rentenversicherung oder Bank-PIN – oft öffnen sich durch geschickt gewählte Zahlenanordnungen Türen da, wo zuvor keine waren.

Doch mit Zahlen ist es wie mit der Sprache: Sie verändern sich im Laufe der Zeit, verlieren ihre ursprüngliche Bedeutung – Laien bemerken das etwa bei getrennten Restaurantrechnungen. Galt die Sieben einst als Glückszahl, ist sie mittlerweile verpönt – in vielen Hotelanlagen sucht man einen siebten Stock vergeblich, besonders in Bungalows.

Viele Verbraucher sind nun verunsichert, wissen nicht mehr, an welche Zahl sie sich in einer Notlage wenden sollen. Deswegen hat der Bund Zahlender Wissenschaftler (BZW) jüngst eine Broschüre herausgebracht, die die wichtigsten Änderungen seit der Jahrtausendwende dokumentiert.

Die Eins

Hier gibt der BZW Entwarnung: Die Eins bleibt im Wesentlichen mit sich selbst identisch. Unlängst erfolgte Versuche, mit der Frage danach, was das für 1 Life ist, der Zahl einen negativen Beigeschmack unterzujubeln, dürfen als gescheitert angesehen werden.

Allerdings sind gewisse Verwendungsmöglichkeiten obsolet geworden: 1machgläser, 1wegflaschen und 1radfahrer gehören Gott sei Dank längst vergangenen Jahrhunderten an. Die Eins steht für gewachsene Robustheit, eine gewisse Selbstzufriedenheit, ja Bräsigkeit. Die Eins bleibt eine starke Stütze unseres Zahlensystems, sollte aber im Auge behalten werden.

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Die Zwei

Eine gnadenlose Abwertung hat dieser ehemalige Dauerbrenner auf dem Zahlenmarkt erfahren. Erinnert sich jemand noch an das Jahrhundert der Duos? Batman und Robin, Superman und Catboy, Hitler und Stalin – ohne „Die Zwei“, denen sogar eine eigene Fernsehserie gewidmet wurde, ging praktisch gar nichts. Ein Trend, der nun vorbei ist: Das Ende der modernen Zweierbeziehung bedeutet auch das Aus für den einstigen Zahlenriesen. Immer mehr Menschen sind Singles; zwei sind da schnell einer zu viel. Durch neue Lebensformen wie Polyamorie und Gender-Islam werden viele Beziehungen schnell zu Dreiern oder Vierern aufgestockt.

Die Drei

Wer jetzt glaubt, mit der Drei auf der sicheren Seite („Die Seite 3“) zu sein, irrt: Neue Sicherheitsbestimmungen aus Brüssel haben insbesondere Dreiecke in Verruf gebracht. Die oft ausnehmend spitzigen Geometrie-Gesellen beschwören Unfälle geradezu zwangsläufig herauf, besonders im Umgang mit Kleinkindern, den sogenannten Babys. „Hurra, wir sind jetzt zu dritt“ – dieser Ausspruch frisch überbackener Eltern muss deshalb mit Vorbehalt und äußerster Vorsicht genossen werden.

Die Vier

In der alten Numerologie galt die Vier als stabile Sache. Die vier Elemente, die vier Winde, die fantastischen Vier: Hier konnte man sich im verwirrenden Universum der Zahlen auch einmal niederlassen und die Füße hochlegen. Nach den Erkenntnissen des BZW ist dieses Modell nicht mehr zu halten: Die Wissenschaftler konnten belegen, dass die Vier eigentlich gar keine Zahl ist, sondern ein sogenannter Numeroid, der im Windschatten wichtigerer Ziffern mitsegelt. Der alte Merkspruch für die zehn ersten Zahlen des Zahlobets, „Endlich zeigt der Vater froh seine sieben achtbaren Neunaugen“ muss umgeschrieben werden („Endlich zeigt Daddy froh …“).

Die Fünf

Die Fünf ist eine „stille Zahl“: Sie ist gut zum Aufrunden, Absoften und Fältchenkaschieren. Sie verschönert, ohne selbst etwas darstellen zu wollen; Chanel No. 5 bleibt also weiter gültig. Der „falsche Fuchziger“, der noch zur Jahrtausendwende mancherorts umging, hat heute seinen Schrecken verloren – viele Leute haben eh nie mehr als zwanzig Euro in der Tasche.

Die Sechs

Mit der Entdeckung der Sechs im Jahr 1477 durch arabische Zahlmeister begann eine neue Ära der Rechnungslegung: Strichlisten wurden unbedeutend, auch einfache Leute konnten sich plötzlich größere Mengen von Dingen vorstellen, ohne einen Abakus zu Hilfe nehmen zu müssen. Leider hat die Sechs viel von ihrem ursprünglichen Ansehen verloren: Nach sechs ist überall Stau, Einkäufe werden zu einer lästigen Qual. Mit dreimal 6 geht alles zum Teufel. Das hatten sich die alten Araber sicher anders vorgestellt!

Die Sieben

Das hat man nun von seinem guten Ruf: Die Zeiten, als die Sieben noch eine Glückszahl war, sind leider vorbei: Zu viele Zocker haben das natürliche Ruheglück der Zahl innerhalb weniger Jahre endgültig aufgebraucht. Lottoannahmestellen verweisen Kunden neuerdings darauf, dass Scheine mit einer Sieben bei Spiel 66, Sofort-Riester und Traumhaus-Toto besonders schlechte Karten haben – was die wirklich Siebensüchtigen natürlich nicht abhält.

Die Acht

Endlich eine positive Veränderung: Der Wert der Acht wurde bei der letzten Rechtzahlreform deutlich erhöht. Ihr Atomgewicht liegt jetzt bei 91,1 Gramm nahe Zimmertemperatur vor Steuern, ihre Gravitationskonstante ist bei schönem Wetter sogar noch aus dem Weltraum zu sehen. Speisegerichte ab acht Euro schmecken meist erheblich besser, sind gesünder und werden von hübscheren Leuten verzehrt als im Bundesdurchschnitt. Im Ganzen kann die Acht inzwischen als regelrechte Superzahl betrachtet werden.

Die Neun

Als Kinder liebten wir den Scherz, den sich die Brettspielautoren mit den Packungsaufschriften zu machen pflegten: „Für Kinder von 9–99 Jahren“ stand da meistens. Was haben wir gelacht! 99 Jahre, das war für uns unvorstellbar, niemand konnte so alt werden. Heute haben wir dank Technologien wie Nanny-Cams, Granny-Beepern und Handys mit extragroßen Tasten die Chance, noch wesentlich älter zu werden: Zwei bis drei Jahrzehnte Pflegehölle sind vielen von uns sicher. Damit hat die Neun ihre fröhliche Unschuld verloren, schwebt bedrohlich am Horizont wie ein Katheter. Der BZW warnt ausdrücklich vor alten Menschen.

Mit diesen neun Neuanpassungen sollten die wichtigsten Zahlungsvorgänge gewährleistet bleiben, so die Zahlreformer vom BZW. Wer durch die Umstellung schlechter gestellt wird und zum Beispiel einen „doofen“ Geburtstag hat (zum Beispiel 2. 9. 99), soll sich deswegen nicht grämen: Die alten Zahlen können noch bis 2025 bei jeder Landungsstelle des Bundes umgetauscht werden. Für Zahlen unter fünf gilt Bestandsschutz; auch dürfen sie in Begleitung von Dezimalstellen kostenlos überall mitfahren.

„Wer die neuen Bankverbindungen verstanden hat, der wird auch das überleben“, so der Abschlussbericht der Kommission schmunzelnd. Na dann: eins, drei, fünf – und losgezahlt!

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