Die Wahrheit: Ins Exil auf die Shetlands
Auch wenn die irische Polizei unbewaffnet ist, sollte man sie in Verkehrskontrollen nicht unbedingt mit Anekdoten über schneckenhafte Inselbewohner reizen.
D ie Polizistin bekam schlechte Laune, als ich ihr weismachen wollte, dass ich ein Tourist im schönen Irland sei. „Dieses fünfzehn Jahre alte Auto ist kein Mietwagen“, blaffte sie, „und es ist auf Ihren Namen zugelassen.“ Außerdem herrsche auf irischen Autobahnen im Gegensatz zu Deutschland eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 Kilometern pro Stunde. Ich sei aber 150 gefahren.
Ich wollte mich rechtfertigen und ihr erklären, dass es vollkommen egal sei, ob man 130 oder 180 fahre – der Preis sei derselbe: 80 Euro und drei Punkte im Sündenregister. Aber ich wollte sie nicht provozieren und griff zu Plan B, der sich aber als genauso untauglich erwies, um sie zu beschwichtigen. Ob sie auch von diesem Lastwagenfahrer aufgehalten worden sei, der einen anderen Lkw überholt hatte, obwohl er nur minimal schneller fuhr? „Er hat eine Viertelstunde gebraucht, bis er vorbei war“, sagte ich. „Die Zeit wollte ich wieder aufholen.“
An ihrem Gesichtsausdruck hätte ich erkennen können, dass der Moment gekommen war, Reue zu zeigen, aber ich deutete ihr Lächeln als Aufmunterung. In Wirklichkeit hatte sie die Zähne gefletscht. „Diesen Trucker hätte man anhalten und zur Kasse bitten sollen“, redete ich mich um Kopf und Kragen.
Ich wies sie auf den Fall des Bauern Brian McGuinness hin, der auf einer Nationalstraße in der westirischen Grafschaft Mayo mit seinem Traktor ein Verkehrschaos angerichtet hatte. Er tuckelte mit 20 Kilometern pro Stunde vor sich hin, während hinter ihm mehr als achtzig Autofahrer ins Lenkrad bissen. Als ein Polizist den Traktor schließlich anhielt, meinte McGuinness, er habe sich eingebildet, dass er die Autos erst vor Kurzem vorbeigelassen hätte. Er wurde schließlich zu einer Geldstrafe von 300 Euro und Führerscheinentzug von einem Jahr verurteilt.
Sie habe von dem Fall gehört, sagte meine Polizistin, und wenn ich weiter solchen Quatsch erzähle, würde sie mich für ein Jahr auf die Shetlands ins Exil schicken. Warum die Shetlands? „Weil dort die langsamsten Autofahrer der britischen Inseln unterwegs sind“, sagte sie. Das habe eine Untersuchung von 60.000 Kraftfahrern ergeben.
Wahrscheinlich haben die Einwohner Angst davor, nass zu werden, höhnte ich. Auf der nördlichsten Insel Schottlands ist kein Ort weiter als fünf Kilometer vom Meer entfernt. „Oder zuckeln sie über ihre Insel“, fragte ich, „um Sprit zu sparen?“ Schließlich seien es ja Schotten. Es liegt aber offenbar an den betagten Autos, mit denen man gar nicht schnell fahren kann. Die Londoner besitzen dagegen die schnellsten Autos, was angesichts der stets verstopften Straßen in der englischen Hauptstadt lächerlich ist.
Die Londoner sollten ihre Autos mit den Shetlandern tauschen, schlug ich vor. Oder sie sollten sich Shetlandponys zulegen. „Das wäre doch auch etwas für die irische Polizei“, schlug ich vor. Dann hätte mich die Polizistin jedenfalls nicht eingeholt. Einen Moment glaubte ich, sie würde mich erschießen. Aber dann fiel mir ein, dass Irlands Polizei unbewaffnet ist.
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