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Die WahrheitBesuch zweier älterer Damen

Kolumne
von Eugen Egner

Wenn man ein klapperndes Gerät, das mit Papageien spricht, auf Rollen kreuz und quer über eine Insel zieht, sollten dabei keine Frauenpaare stören.

I chwill hier doch ein wenig genauer ausführen, wie es seinerzeit war, als uns die beiden älteren Damen besuchten. Der Musikologe de Witt hatte mich nach dem Frühstück gebeten, mitzuhelfen, ein von ihm selbst entwickeltes und gebautes Gerät auf Rollen kreuz und quer über die Insel zu ziehen. Obwohl er als Wissenschaftler keineswegs verpflichtet war, sich einem Laien gegenüber zu rechtfertigen, erklärte mir de Witt, das – übrigens sehr schwere – Gerät sei „ein geländegetriebener Apparat, der mit dem Papagei spricht, wenn es geht“.

Laut singend bahnten wir uns einen Weg durch das hohe Gras. De Witts unverwechselbarer Diskant tönte über die ganze Insel, mein in den Mitten etwas topfiger Knabensopran nur über zwei Fünftel der Landmasse. „Wir müssen wahnsinnig sein“, merkte de Witt in einer stillen Minute an. Ich erwiderte: „Ja, und zur Schande des Wahnsinns kommt noch das Klappgeräusch des Apparats.“ Das beruhte auf präziser Beobachtung, denn in der Tat erzeugte das von uns gezogene Aggregat ein regelmäßiges, sehr störendes Klappgeräusch. Um es zu überlagern, extemporierten wir Ausrufe, die so ähnlich klangen wie: „Auf und auf und keine Serenade“ oder „Von der Beschaffenheit aufwärts mit schlichtem Wuchs!“

Gegen Mittag kamen wir wieder bei dem einzigen Gebäude auf der Insel an. Wir wollten uns soeben die Hände waschen gehen, da ereignete sich die Ankunft der beiden älteren Damen. Der Vorgang wird an verschiedenen Stellen unterschiedlich dargestellt, hier liest er sich jedenfalls folgendermaßen: Die eine der beiden älteren Damen trug zwei schwere Koffer, die andere eine Art Angel, an der eine Mohrrübe hing. „Hallo, Las Vegas!“, riefen beide Frauen. „Hier ist nicht Las Vegas“, entgegnete de Witt, um Sachlichkeit bemüht. Die Damen protestierten: „Wie kann hier nicht Las Vegas sein? Wir sind immer genau der Mohrrübe gefolgt!“

„Manchmal hilft Abtupfen des Himmels mit hochprozentigem Alkohol“, murmelte ich, was gottlob niemand hörte. Was aber wollten die beiden älteren Damen? Nach eigener Aussage wollten sie „den Kantatennotstand in Las Vegas lindern“. Ob mit Elektronenmilch oder dem Papagei, verrieten sie nicht. Der Papagei indes, und darauf wiesen sowohl de Witt als auch ich ausdrücklich hin, gehörte uns und war mithin kein Verhandlungsgegenstand. Später stellte sich sogar heraus, dass der Vogel die offenkundig navigationsuntaugliche Mohrrübe der beiden Damen gefressen hatte.

Es gab infolgedessen einiges Durcheinander. Der geländegetriebene Apparat sprach wegen der Mohrrübe ein ernstes Wort mit dem Papagei, ich wiederum versuchte erfolglos, alles als Sinnestäuschung hinzustellen, doch nützte das nichts. De Witt, einige Jahre älter als ich und wesentlich intelligenter, rettete die Lage zuletzt, indem er versprach, die beiden älteren Damen höchstpersönlich nach Las Vegas zu bringen und sie bei der Linderung des dortigen Kantatennotstands nach Kräften zu unterstützen. Davon hätte beispielsweise Karajan nicht zu träumen gewagt.

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