Die Wahrheit: Bitterer Kaffee vom IS
Viele Gestörte treiben derzeit ihr gewalttätiges Unwesen. Und jedes Mal erklärt der IS die Durchgeknallten zu „Brüdern“ und „Schwestern“.
M ich macht das völlig fertig, wie der islamistische Terror meinen Alltag durchdringt. Wobei es ja abzusehen war. Ich hätte nur die Zeichen besser deuten müssen.
Im Bahnhof von Hannover sticht eine 15-Jährige auf Polizisten ein. In Orlando richtet eine Klemmschwuchtel in einem queeren Club ein Massaker an. In Nizza donnert ein anderer psychisch kranker Vollversager mit einem Lkw über die Promenade. In allen Fällen melden die Orks von Rakka, die Bekloppten seien „Soldaten des IS gewesen“. Feine Soldaten und Soldatinnen haben die da beziehungsweise hier, mitten unter uns.
Soldaten wie der gestörte Jugendliche, der nun in der Bahn bei Würzburg mit der Axt auf eine asiatische Familie losgegangen ist – und bei dem man eine „handgemalte IS-Flagge“ gefunden hat, wie andere Jungs sich das Logo von Slayer oder Cannibal Corpse zusammenkritzeln. Egal, prompt erklärten die islamistischen Weltuntergangsstrategen den Durchgeknallten zu ihrem „Bruder“ und „Kämpfer“.
Terror also als Produkt, das von selbstständigen Unternehmern in persönlichem Kundenkontakt vertrieben wird. Ich bin jetzt schon so verunsichert, dass ich ganz genau weiß, wohin das alles führen wird. Morgen weckt mich in aller Herrgottsfrühe ein Reinigungsfahrzeug unten auf der Straße, und kurz danach erreicht mich eine SMS aus Syrien – der Fahrer sei „ein Kämpfer gegen den Schlaf der Unreinen“. Schlimm.
Dann gerät mir der Kaffee zu stark, völlig ungenießbar. In einer Videobotschaft auf mein Smartphone erklärt mir ein adipöser Zauselbartträger: „Allah erhörte unsere Gebete und brachte Bitterkeit in das Leben der Kreuzfahrer!“
Später versuche ich meinen Mobilfunkanbieter zu wechseln und werde minutenlang von Mitarbeiter zu Mitarbeiter weitergereicht – bis mich am Ende ein Mann in gebrochenem Deutsch anbrüllt, Allah sei groß und habe seine „Kämpfer im Tarifdschungel“. Ich lege auf, als es draußen knallt.
Noch während ich auf die Kreuzung spähe, meldet die IS-„Nachrichtenagentur“ Amaq, der Fahrer des „falsch abgebogenen Pkw“ sei ein Soldat des IS gewesen: „Der Blechschaden ist nur ein Anfang.“
Tatsächlich gibt mir kurz darauf die Kassiererin im Rewe zu wenig Wechselgeld heraus, per Twitter kommt prompt die Bestätigung meiner Ängste – sie ist eine „Schwester“, und Allah habe sie „gesegnet und ihr gewährt, was sie wollte“ und so weiter.
Die Stechmücken im Freibad? Natürlich Märtyrer „des Gnädigsten, des Barmherzigsten“, desgleichen die Sonne: „Sie bringt Brand auf die Schultern der Ungläubigen.“
So weit ist es schon. Ich fürchte mich bereits vor dem Einschlafen. Nicht, weil der Terror in meine Träume dringen könnte. Sondern weil mir eventuell der Prophet erscheint, Friede und Segen sei mit ihm, um mir sein Herz auszuschütten, er habe ums Verrecken mit all dieser überschäumenden Scheiße nichts zu tun. Aber das weiß ich doch, werde ich sagen müssen, und ihn zärtlich am Bart zupfen.
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