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Die Wahrheit„Verpiss dich aus Frankfurt, du Sau!“

Beim Beinahe-Abstieg der Eintracht in der Relegation drehten die Frankfurter Zuschauer durch. Ein Bericht aus dem Wahnsystem Fußball.

Illustration: Rattelschneck

Ich gebe es zu. Ja, ich gebe es ja zu. Und es ist geradezu grotesk und hirnverbrannt, das hinzuschreiben: Ich gebe zu, dass ich vorgestern beim Relegationsspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg für den Club war – als müsste ich mich rechtfertigen, entschuldigen oder ein Vergehen eingestehen.

Selbstverständlich – das weiß sogar ich, ich bin ja nicht völlig verblödet, noch nicht, das rede ich mir zumindest ein – „kochen“ beim Fußball die sogenannten Emotionen „hoch“, das „gehört dazu“, freilich, natürlich, man regt sich auf, meckert, krakeelt, flucht, schimpft und verwünscht, jubelt, jauchzt, johlt und juchzt, andernfalls müsste man sich das ja nicht antun, andernfalls bliebe man der Sache fern, andernfalls machte man sich mit seiner Frau einen feinen versauten Abend oder guckte in die Luft, einfach so, weil’s schnafte ist, einfach mal in die Luft zu gucken, oder man wäre, mit Monty Python zu reden, nett zu seinen Nachbarn und läse anschließend ein gutes Buch.

Der Club ist ein Depp

Ois geschenkt, klar, so ist das halt beim Fußball, das weiß sogar ich. Aber so was wie vorgestern Abend habe ich noch nicht erlebt. Ich war für den Club, der einer Formulierung des fabelhaften Zeitungsreporters Klaus „Der Spezi“ Schamberger zufolge „ein Depp ist“.

Ich war so unverschämt, für den Club zu sein, obwohl ich seit fast dreißig Jahren in Frankfurt lebe und gegen die Eintracht auch gar nichts habe, ich hatte nie was gegen die Eintracht (warum soll man überhaupt gegen einen Verein sein, man könnte doch viel eher zum Beispiel gegen das Wetter sein, aber lassen wir das), noch nie hatte ich was gegen die Eintracht, die Eintracht der siebziger Jahre war klasse, die Eintracht hatte in ihren Reihen einst den von Ror Wolf zu Recht geadelten Thomas Rohrbach oder Bernd Nickel, jenen „Dr. Hammer“, dem Eckhard Henscheid in seinem Roman „Dolce Madonna Bionda“ ein Denkmal gesetzt hat.

Ich habe mir in den neunziger Jahren im Waldstadion Bein, Binz, Stein, Möller, Yeboah und den wackeren Bindewald-Uwe sehr gern angesehen, und ich kann bezeugen, dass Heribert Bruchhagen ein ausgesprochen angenehmer und höflicher Mensch ist, und Alex Meier ist nicht bloß ein toller Fußballer, sondern auch ein vorzüglicher, man verzeihe mir das altmodische Wort: Charakter.

Die Eintracht hat verdient gewonnen, was der Depp, für den ich halt aus autobiografischen Gründen bin, zusammengestochert und -gebolzt hat, war nicht mal unter Freunden des Catenaccios satisfaktionsfähig. Und bis zum Nulleins jammerten und hampelten die Clubberer bei jedem Einwurf, nach jedem Pressschlag, nach jedem Tackling herum wie dazumal vornehmlich die Italiener, zumal im legendären WM-Halbfinale 1970 gegen Deutschland. Es war würdelos.

Die Frankfurter litten wie die Schwäne

Nach dem Führungstreffer von Seferovic lief’s umgekehrt. Die Frankfurter litten wie die Schwäne, krümmten sich wie niedergeknüppelte Demonstranten, simulierten und schauspielerten sich durch die Sekunden. Und als Fabian dem Nürnberger Keeper Schäfer, der auch ein Lump ist, ins Gesicht trat, dann eine Pirouette hinlegte und sich danach schmerzensreich auf dem Rasen wälzte, sagte ich, durchaus etwas erregt: „Der muss Rot kriegen!“

Ich war in meiner Stammkneipe, und jetzt passierte etwas, das mir gar nicht behagte. Ein paar Leute, mit denen ich seit Jahren ab und an plaudere und Bier trinke (oder die mit mir, wie man’s sieht), brüllten mich an, unter ihnen eine ehrenwerte, sozial engagierte Linke: „Verpiss dich aus Frankfurt!“ – „Halt’s Maul, du Sau!“ Einer hat mir Prügel angedroht und geiferte: „Ich schlag dich tot!“

Was war, was ist das? Wahnsinn. Es sind Vernichtungsfantasien. So weit hat es diese Gesellschaft gebracht.

Einer meiner Lieblingskneipkollegen, ein, ja, zarter Mensch, ein Physiker, Eintracht-Fan, sagte später, als er ging, zu mir: „Ich bin glücklich.“ – „Glücklich? Du bist glücklich?“ – „Ja, ich bin glücklich.“

Es ist deprimierend. Es ist durch und durch deprimierend.

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5 Kommentare

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  • Affen versuchen stets im Rudel zu bleiben, der kleinste gemeinsame Nenner eines Rudels ist der Wohnort. Ich bin da gefeit, ich hasse meinen Wohnort. Und Fußballern zuzusehen geht mir am Arsch vorbei. Haben sich jemals Fans nach einem Frauen- Volleyballspiel angemacht? Warum auch. Also guckt mehr Frauenvolleyball, und erspart mir das Fußballgewichse. Thanks

    • @Hung:

      Affen bilden Horden.

       

      Aber auch nicht alle. Der Orang Utan ist ausgesprochener Einzelgänger und verwendet ähnlich viel Zeit und Mühe auf das Futtersuchen, wie auf das Meiden von anderen Orang Utans.

      Das ist sehr weise. So muß er in seinem Weltschmerz niemandem auf die Nüsse (ugh!) gehen und kann seinen Artgenossenhaß an niemanden auslassen.

      • @Nifty_Monkey:

        @NIFTY_MONKEY Jeah, finde ich ebenso, da ich selbst wie ein Orang Utang ausseh, und eigentlich keinen Bock habe, den Bongo Bongos Arme, Beine und Köpfe abzureißen, wenn sie mir mit ihrer Quarktaschenmentalität mal wieder auf´n Sack gehn. Lieber Gruß, Uli

  • Danke für den wohl einzigen Lichtblick:

    "schnafte"…! &

    Behalte eine steife Oberlippe;)) - &

    Sei weiter nett zu den Nachbarn!

    Besser is das! &

    "…jetzt etwas Musik!;)"

     

    (& Physiker¿ - fallen denen nicht ständig

    Äpfel aufn Kopp! - Na siehste!¡;))

    • @Lowandorder:

      Bleib höflich und sag nichts – das ärgert sie am meisten.

       

      Manche Ärzte stellen wirksame Rezepte aus, scheint mir.