Die Wahrheit: Dies ist kein Liebeslied
Absonderliche Sexualität: Neueste Varianten der erstaunlichen Geschlechtlichkeit treiben ihr Unwesen in der Gesellschaft.
In alten Zeiten war es für die Menschen überlebensnotwendig, auf keinen Fall die allgemeinen Konventionen zu verletzen. Denn Außenseiter wurden aus dem Dorf gejagt und dann im Wald von wilden Tieren zerrissen.
Doch heutzutage gilt genau das Gegenteil: Distinktion um jeden Preis, sonst geht man in der Menge unter. Wer nicht auffällt, zieht im Kampf um Likes, Jobs und vor allem Sexualpartner den Kürzeren. Und zur Not lassen sich die so wichtigen Alleinstellungsmerkmale ja auch konstruieren.
So macht seit geraumer Zeit der Begriff „Sapiosexualität“ (von lat.: „sapere“ = wissen) die Runde (sogar die taz berichtete). Sapiosexuelle reklamieren für sich die therapiebedürftige Vorliebe, sich auch von Witz und Geist einer Person angezogen zu fühlen, anstatt nur von deren Aussehen.
Also im Gegensatz zu normalen Menschen, die selbstverständlich wissen, dass, wer mit jemandem wie ihnen ins Bett geht, schwerlich alle Tassen im Schrank haben kann. Die Schlauficker wischen nur noch Brillenträger nach rechts, die Kritik der reinen Vernunft ist ihnen aufregender Dirty Talk. Intelligenz wird als schriller Fetisch hart an der Grenze zur Perversion verhandelt.
Sapiosexuelle treffen sich heimlich
In kulturell konservativeren Gesellschaften wird man für die Ausübung solch unappetitlicher Praktiken nach wir vor ausgegrenzt. Sapiosexuelle treffen sich dort heimlich in Schachclubs und auf Leseabenden. Ganz anders in den urbanen Milieus mitteleuropäischer Prägung: Hier übertrumpft man sich gegenseitig mit immer tolleren Volten eskapistischen Schweinkrams.
So haben einige – man kann das bei aller Aufgeschlossenheit nicht anders nennen – abnorme Freaks die Comissexualität (von lat.: „comis“ = nett, freundlich) für sich entdeckt. Sie finden nette Leute geil. Während harmlose Sonderlinge gesellschaftsverträglich im stillen Kämmerlein auf mit eigenem Kot gefüllte Suppenteller ejakulieren, senden Comissexuelle einander in aller Öffentlichkeit dreiste Erkennungssignale: Hier ein Lächeln, da ein freundliches Zwinkern, und haben sich auf diese Weise zwei dieser paraphilen Monster gefunden, dann geht die Post erst so richtig ab: Blumen, Geschenke, Komplimente. Häufig werden leider auch triebgesunde Unbeteiligte angelächelt und so in das ekelhaften Treiben mit hineingezogen. An dieser Stelle hört der Spaß dann spätestens auf, wenn aus einer bizarren Neigung eine massive Belästigung für andere erwächst.
Und es geht immer noch schlimmer. So munkelt man in feuchtfröhlichen Runden, da zu später Stunde der Anstand für Sensationslust und frivolen Tratsch das Feld räumt, von sogenannten Anthroposexuellen (von altgriech.: „anthropos“ = Mensch), die geschlechtlich ausschließlich auf Menschen fixiert sind. Im Kontakt mit Gegenständen, Pflanzen und selbst attraktiven Tieren bleibt es hingegen in der Buxe trocken. Einige Sexualwissenschaftler möchten daher Sapio- und Comissexuelle bloß als Unterarten einer zuvorderst anthroposexuellen Orientierung sehen, eine Kategorisierung, die in jedem Fall auf Homo- und auf Heterosexuelle zutrifft.
Heterosexuelle erfinden aggressive Lügenkonstrukte
Während die Homosexualität (von altbulg.: „homo“ = schwul) mit ihrer Liebe zum gleichen Geschlecht und damit Ebenbild wenigstens noch einer rudimentären Restlogik folgt, sehen sich Heterosexuelle (von altgriech.: „heteros“ = der andere, ungleich) im ausweglosen Strudel ihrer widernatürlichen Zwangshandlungen gefangen, deren Hauptleidtragende sie natürlich selber sind – das sollte bei allem Schaden, den auch die Gemeinschaft davonträgt (Kinder, Liebeslieder, Mord und Totschlag) nicht vergessen werden.
Der Rechtfertigungsdruck, unter dem Heterosexuelle stehen, lässt sie – Angriff ist die beste Verteidigung – aggressive Lügenkonstrukte wie Religion und Familie zur Rechtfertigung ihrer Präferenzstörung erfinden, die – man höre und staune! – in der Anziehung durch das jeweils andere Geschlecht besteht.
Denn wie jedes Kind weiß, stehen sich hier zwei unversöhnliche Antagonisten gegenüber: Zum einen die Frau mit ihrer Hysterie, die weder durch Lobotomie noch Abspritzen mit eiskaltem Wasser einzudämmen ist, zum anderen der maulfaule Mann mit seinem selbstherrlichen Besitzanspruch auf alles Lebende und Tote. Wie vernünftig erscheinen im Vergleich Nekrophilie (von altgriech.: „nekros“ = Leiche), Kannibalismus oder Litterasexualität (von lat.: „littera“ = Buchstabe, Alphabet), der Sex mit Büchern.
Kein Wunder, dass sich Heterosexuelle nur noch auf Schmutzportalen wie „Er sucht sie“ oder „Sie sucht ihn“ im Blacknet treffen, einem geheimen Nebenzweig des Darknets, den man nur mithilfe eines Passworts betreten kann, das man den gellenden Flüchen einer auf dem Scheiterhaufen brennenden Hexe entnommen hat. Da wendet sich jeder mit Schaudern ab, der doch einfach nur ein bisschen Nähe, Wärme, Liebe sucht: Nein danke, dann schon lieber sapiosexuell.
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