Die Wahrheit: Champagner mit Rudi Carrell
Wenn einem Musik fast gar nichts bedeutet, kann das mitunter zu dem einen oder anderen peinlichen Missverständnis führen.
M an sagt mir nach, ich hätte überhaupt keinen Musikgeschmack und noch weniger Kenntnisse von der Materie. Und das mag wohl wahr sein, ich kann das nicht beurteilen. Wann immer mich jemand fragt – und diese Frage kommt garantiert auf jeder Party, bei jedem Date und sogar bei Familientreffen –, wann immer also mich jemand fragt: „Und was hörst du so für Musik?“, sage ich: „Dschinghis Khan“, weil ich ab da sicher sein kann, dass ich fortan mit Musikdebatten in Ruhe gelassen werde. Und außerdem höre ich die wirklich gern!
Einst begab es sich, dass eine Horde ambitionierter junger Leute unter der väterlichen Anleitung des Wahrheit-Mitbegründers Karl Wegmann in meinem beschaulichen Heimatstädtchen eine „Münster-taz“ stemmen wollte. Ich hatte die geniale Idee, für das jungfräuliche Blatt einen Sektentest zu machen, meldete mich dazu bei mehreren Sekten an und schrieb Aufsätze über meine Erlebnisse. Nach dem letzten Aufsatz fuhr ich in die Ferien.
Als ich zurückkam, glühte und zappelte mein Anrufbeantworter – Handys hatten damals nur Angeber. Unzählige Male hatte Karl die Nachricht hinterlassen, ihn dringend zurückzurufen, denn der Redaktionsschluss für die neue Ausgabe stünde vor der Tür und es gebe Unklarheiten bei meinem Artikel. Ich rief sofort an.
„Du hast geschrieben, die fröhlichen Sektenmitglieder würden ausgelassen zu ,YMCA' von Police tanzen. Ich habe mich halb tot recherchiert, aber keinen Hinweis darauf gefunden, dass Police jemals ,YMCA‘ gecovert hätte.“ Ich antwortete: „Wieso gecovert? Das ist doch von denen!“ Am andereren Ende der Telefonleitung hingen mehrere Fragezeichen in der Luft. Karl war offenbar baff, sodass ich fragte: „Police ist doch die Band, bei der ein Polizist mitspielt?“
Es folgte ein sekundenlanger Seufzer. Dann fragte Karl: „Du meinst also die Band, bei der auch ein Cowboy, ein Bauarbeiter, ein Indianer und ein Soldat mitspielen?“ – „Ja genau!“, freute ich mich. „Alles klar! Ich ändere das“, rief Karl erleichtert. Und seither weiß ich, dass Police und Village People zwei ganz verschiedene Bands sind.
Ich war vor Jahren mal in London zu einem ganz großen Event eingeladen. Mit allem Drum und Dran: roter Teppich, Kameras, alles war voller Stars und Celebrities. Der Champagner floss in Strömen – und dann sah ich ihn! Da war Rudi Carrell! Ich trank noch ein Glas Champagner, dann hatte ich den Mut, ihn anzusprechen. „Herr Carrell“, sagte ich unterwürfig, „Sie ahnen ja gar nicht, wie sehr ich Ihre Lieder ,Goethe war gut' und ,Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?‘ liebe. Sie haben Meilensteine in der Welt der Musik gesetzt. Ich verehre Sie und bin stolz darauf, Ihnen hier persönlich zu begegnen.“
Herr Carrell lachte die ganze Zeit seltsam, auch sein Hofstaat kicherte ausgelassen. Wie ich erst später erfuhr, hatte ich gar nicht mit Rudi Carrell, sondern mit David Bowie gesprochen. Und der hat das Missverständnis nicht aufgeklärt! Na ja, die sahen sich aber auch so ähnlich …
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