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Die WahrheitDer Hamster des Kotelettkönigs

Kolumne
von Joachim Schulz

Der Kotelettkönig war umgeben von hanebüchenen Gerüchten, doch sein Hamster war auch nicht von schlechten Eltern.

R aimund betrachtete den Hamster und war außer sich. „Kuck ihn dir an, der hat ’n Detsch!“ – „Quatsch“, sagte ich, „der ist wie neu.“ – „Du willst mir erzählen, der Hamster des Kotelettkönigs hat schon immer geschielt?“ Es war zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinlich.

Wir waren auf dem Weg in die Bäckerei Brüser gewesen, als der Hamster unseren Weg kreuzte. Raimund sah ihn nicht und verpasste ihm versehentlich einen Kick, sodass eine Pelzkugel durch die Luft schoss und gegen Brüsers Glasschiebetür prallte, deren Lichtschranke für heranfliegende Hamster zu langsam reagierte.

„Was machst du überhaupt hier?!“, schimpfte Raimund, betrachtete das belämmert dreinblickende Kerlchen und schaute zu Bernie’s Bratwurstbude hinüber, wo der Kotelettkönig traurig an einem Tischchen saß. Er saß dort immer, sommers wie winters, und verspeiste Koteletts. Nie sprach er mit jemandem, auch Bernie machte er nur ein Zeichen, wenn er Kotelettnachschub brauchte, und immer turnte der Hamster auf ihm herum.

Manchmal allerdings hielt der Hamster inne und schien dem Kotelettkönig etwas zuzuflüstern. Dann lachte der Kotelettkönig, sodass die Kotelettkönigmasse vibrierte, und tippte eine Nachricht in sein Handy, die er, bevor er sie abschickte, dem Hamster zeigte, woraufhin auch dieser zu kichern schien und der König ein neues Kotelett bestellte, von dem er dem Hamster ein Stück heruntersäbelte, das dieser mit ketchupverschmiertem Maul zerkaute.

Logisch, dass es die abenteuerlichsten Gerüchte über den Kotelettkönig gab. Die meisten waren sehr blutrünstig und gipfelten in der Vermutung, dass er der Boss der hiesigen Fleischmafia, der Hamster sein Sekretär und die SMS samt und sonders Todesurteile waren.

Auch Raimund hing, wie zu erwarten, dieser Theorie an, und als er den Hamster in seiner Hand noch einmal betrachtete, schien er kurz zu überlegen, ob er ihn nicht verschwinden lassen sollte. Doch Weicheier wie wir eignen sich nicht zu Hamstermördern, und so sagte er: „Vielleicht isst du in der nächsten Zeit besser keine Schnitzel aus unserem Schlachthof“, und machte sich auf den Weg zu Bernies Imbiss hinüber.

Für eine Sekunde kniff ich die Augen zusammen, denn auch wenn ich nicht daran glaubte, dass der Kotelettkönig im Schlachthof fürchterliche Verbrechen mithilfe von Ausbeinmessern und Fleischwölfen verüben ließ, war es doch immerhin nicht undenkbar.

Als aber der Kotelettkönig den Hamster in Raimunds Hand entdeckte, wurde er vor lauter Wiedersehensfreude vom königlichen Lachen geschüttelt, zog Raimund auf den Stuhl neben sich und nötigte ihn nur, während der Hamster noch immer etwas blepblep auf dem Tisch herumtorkelte, acht oder zehn Koteletts mit ihm zu verspeisen. Das hatte zwar gewiss verheerende Folgen für Raimunds Blutfettwerte, musste aber, wenn er sich zum Ausgleich ein paar Wochen lang stramm vegetarisch ernährte, nicht unbedingt zum Tode führen.

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