Die Wahrheit: Der Rattenfänger vom Hauslaster
Neues aus Neuseeland: Die Bestien von der wilden Westküste greifen an. Nichts, aber auch rein gar nichts hilft gegen die gemeinen Nager.
M eine neue Heimat ist für Rugby und Maoris, Schafe und Bungeespringen berühmt, aber nicht für wilde Tiere. Nichts Gefährliches lauert im neuseeländischen Busch. Keine Schlangen, keine Skorpione. Unser Nationaltier, der Kiwi, ist ein flugunfähiger Vogel, der niemandem ein Auge aushackt. Zoo der Kuscheltiere – dachte ich, bis wir ein Stück Land an der wilden Westküste kauften. Dann kamen die Bestien.
Ein alter house truck in der Wildnis, weit weg von jeder Zivilisation, wurde dort unser neues Feriendomizil. Der Hippie-Wohnlaster mit Plumpsklo im Freien ist ein Traum, nicht nur für uns. Auch für unsere unmittelbaren, unsichtbaren Nachbarn. Sie feierten, als hätte ihnen Donald Trump persönlich zwischen Farnkraut und Flachs ein Luxushochhaus errichtet, für ungestörte Orgien und voller Delikatessen. Ich rede von den Buschratten.
Besonders im Winter, wenn niemand unsere Datsche besucht, kommen die Nager ins Trockene. Sie zwängen sich durch kleinste Löcher und fressen sich durch alles durch: Matratzen, Vorhänge, Leinölflaschen. Einmal fehlte jedes Stück Seife. Unser Urlaub beginnt stets damit, die Verwüstungen zu beseitigen. Fluchend und flachatmig ziehen wir halbverweste Ratten hinter Holzverkleidungen hervor, entdecken graue Mumien im Zeitungsstapel, heben Nester aus. Der englische Ausdruck dafür, dass etwas faul ist – „I smell a rat“ –, ist für uns olfaktorische Realität. Wir putzen und vergiften einiges, aber die Natur ist stärker als wir.
Als der Hauslaster der Familie über die Jahre zu eng wurde, bauten wir uns nebenan eine kleine Hütte. Nach einem Jahr hatten die Ratten auch dieses Domizil erobert, wir sahen ihre Spuren. Vor einer Woche spritzte mein Mann jede Ritze mit Bauschaum aus und versiegelte das Zimmer vor allen Eindringlingen. Als er nach der harten Arbeit neben mir schnarchte und ich im Bett noch eine letzte Serienfolge auf dem Laptop schaute, raschelte es oben neben mir auf dem Sims. Ich schaute hoch. In dem Moment steckte eine Ratte ihren Kopf unterm Vorhang hervor – ebenso erstaunt wie ich, wen sie da sah. Am nächsten Morgen wurde sie erschlagen. Man vs. Wild! Endlich Ruhe.
Die Gespräche im Urlaub drehen sich jetzt ums Fallenstellen. Was funktioniert und was nicht. Ein Thema, über das man nur mit Leidensgenossen spricht. Nach und nach kommt die schaurige Wahrheit dieser wunderschönen Gegend ans Licht. Zum Beispiel über das Café im nächsten Ort, wo im Hohlraum unterm Dach vergiftete Ratten verwesten. Eines Tages landete dann von oben eine Made auf der Theke. Sagt Johnny, der hier an der Küste lebt und schon alles gesehen hat, was Ärger macht.
Wenn Johnny wieder in sein Auto steigt, schaut er kurz drunter, dass sich dort niemand gerade ein Nest baut. Denn wo der Motor noch warm ist, da lebt es sich als Ratte gemütlich, und zum Anknabbern findet sich genug. Einmal hat er … ach nein, das spar ich mir jetzt lieber. Man erzählt als Tiefseetaucher den Badenden ja auch nicht dauernd von Haien.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!