Die Wahrheit: Arroganz schützt vor Alter nicht
Das ist der Dank dafür, in der zweiten Lebenshälfte gelandet zu sein: Jetzt wird man schon im „Spiegel“ falsch zitiert.
D er Freund, der mich in Computerdingen kompetent berät, stand neulich ehrlich erschüttert vor einem Werbeplakat, auf dem ein Senioren-Computer-Kurs angeboten wurde. Die Botschaft lautete, dass wir Dinosaurier, die wir uns unnötigerweise schon länger als 50 Jahre auf der Welt herumtreiben, wirklich keine Angst davor haben müssten, auch einmal einen Rechner anzufassen.
Seitdem habe ich Angst. Nicht vor Computern, aber davor, noch älter zu werden. Bisher plante ich nämlich, auch in Zukunft im Großen und Ganzen dieselbe Person zu bleiben, vielleicht noch mit dem 3-F-Zusatz „Fett – Falten – Faulheit“. Ich habe mich an mich gewöhnt und würde schon deswegen nur ungern auf mich verzichten. Daran erkennt man mein Alter: Junge Leute wollen sich andauernd neu erfinden und tief in ihrem Innern das beste Ich ausgraben, über das sie verfügen. Mal unter uns – die Mühe lohnt sich in den seltensten Fällen.
Inzwischen ahne ich, dass ich längst, ohne es zu merken, in eine neue Spezies übergewechselt bin. Ich bin jetzt jemand, zu dem andere, richtige Menschen sagen dürfen: „Hei, dudu, Omi-Omi, tomm mal her und drück mal das Tnöpfchen! Guggiguggi, da wird es jetzt ganz hell! Hattu fein macht!“ Am Ende werden sie sogar noch dafür bezahlt. Und ich muss befürchten, nach dem Knopfdruck in irgendein Laufgitter gesperrt zu werden, mit lauter anderen alten Säckinnen.
Man stellt sich überall auf mich ein – ich bin das, was mal euphorisch „geburtenstarker Jahrgang“ hieß und jetzt ängstlich „demografischer Wandel“ genannt wird. Damit es mir auf meinem Dorf auch gut geht, bietet die Zukunftswerkstatt lustige Spielenachmittage für mich an. Ich gestehe, so hatte ich mir meine Zukunft nicht vorgestellt. In der Kreisstadt gibt es, wie ich aus der Zeitung erfuhr, seit kurzer Zeit einen „Poetry Slam 50 plus“. Ich zitiere: „Halt ein, ich sage dir das Zauberwort, die Lösung, sie lautet Sport.“ Dichten lautet die Lösung jedenfalls nicht, so viel steht mal fest.
Selbst der Spiegel bescheinigte mir kürzlich, ich hätte inzwischen jenes Alter erreicht, in dem man daran leidet, dass man den meisten Dreck schon zweimal gesehen hätte. Erstens leide ich in meinem Leben ungefähr so viel wie die schnurrende alte Katze auf der Ofenbank, und zweitens stammt das Zitat, das dies belegen sollte, nicht von mir, sondern von Fanny Müller. Soweit ich mich erinnere jedenfalls – ich bin ja schon alt und weiß nicht mehr alles so genau, aber die Spiegel-Kollegin Elke Schmitter ist es auch, hähä.
Dann wurde ich auch noch zum Senioren-Kaffee eingeladen, doch nur als Vorleserin. So reich ist mein Dorf nicht, dass es jugendliche 50-plus-Autorinnen mit durchfüttern kann. Ich las mit so viel Betonung, wie ich konnte. Ergeben ließen meine älteren Nachbarn mein albernes Getue über sich ergehen, denn den Kuchen gab es erst nach der Kultur. Zu Hause nahm ich dann dem Liebsten das Versprechen ab, dass er später niemals mit mir zum Senioren-Kaffee gehen wird. Es sei denn, sie bieten irgendwann auch Joints an.
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