Die Wahrheit: Westliche Abgaswerte
Syriens Diktator Baschar al-Assad ist schlecht auf die Luft verpestende Schummel-Software deutscher Panzer zu sprechen.
Dicke schwarze Rauchschwaden quellen aus den Auspuffrohren der erstaunlich neuen Leopard-Panzer der syrischen Armee, die durch die ruinengesäumten Straßen Aleppos zum nächsten Einsatz fahren. „Die verpesten ganz schön die Luft hier“, meint Panzerfahrer Tarik Houssa in einer der raren Gefechtspausen, „Clean Diesel sind das jedenfalls nicht.“
Luftreinhaltung ist in dem kriegsgebeutelten Land zu einem schwierigen Geschäft geworden. Seitdem klar ist, dass auch in den Leopard-Panzern Schummel-Software schlummert, die den Partikelfilter im Kriegseinsatz einfach abschaltet, ist Staatspräsident Baschar al-Assad, auf die deutsche Ingenieurskunst schlecht zu sprechen. „German Engineering können Sie mittlerweile komplett vergessen. Wir werden in Zukunft wieder verstärkt auf russische Militärtechnik zurückgreifen. Nicht ganz so komfortabel, dafür aber grundsolide und ohne technischen Schnickschnack. Wenn die Deutschen denken, sie können mit ihren manipulierten Motoren unsere reine Wüstenluft verpesten, dann haben sie sich jedenfalls gewaltig geirrt.“
Klare Worte. Der knuffige Diktator hat sich richtig in Rage geredet. „Viel ist in letzter Zeit über die Missachtung westlicher Werte durch die syrische Regierung geschrieben worden. Da kann ich nur lachen. Und was ist mit den westlichen Abgaswerten? An die halten sich die selbsternannten Technologieführer selber nicht.“ Womit der syrische Präsident natürlich nicht ganz unrecht hat. Doch die wahren Gründe seines Ärgers gibt der sympathische Ausnahme-Tyrann nicht preis.
Syrien spielt in der obersten nahöstlichen Spielklasse, der arabischen Liga, und in der zählen harte Fakten. Nachdem der Einsatz der Schummel-Software aufgeflogen war, nahm sich das Liga-Präsidium das gesamte statistische Zahlenwerk der syrischen Regierung genauer unter die Lupe – und kam zu erstaunlichen Ergebnissen.
Die offiziell gemeldeten Abschusszahlen der Armee, maßgebend für die Platzierung in der Tabelle, erwiesen sich nach genauerer Prüfung als Märchen aus Tausendundeiner Nacht. In Wirklichkeit wurden weit weniger Häuser zerstört, Rebellen getötet und Fassbomben auf Zivilisten abgeworfen, als die syrische Propaganda glauben machen wollte. „Typischer Fall von syrischer Großmannssucht“, meint Liga-Vorstand Ahmet al-Badr, „da wollte wohl jemand mit geschönten Zahlen seine Position verbessern.“ Was selbstverständlich zu drastischen Konsequenzen führen wird.
Das Reglement der arabischen Liga belohnt im kriegsbegeisterten Nahen Osten Gefechtserfolge in besonderem Maße. Syrien, bislang unangefochtener Tabellenführer, droht nach dem Auffliegen seiner Manipulationen ein deutlicher Punktabzug, eventuell sogar der Zwangsabstieg in die 2. Liga. Und für den obersten Schummelsyrer könnte es noch ärger kommen: Gegen Baschar al-Assad könnte sogar eine lebenslange Sperre verhängt werden.
Milliardenschwerer Supertransfer
Wenn dieses Worst-Case-Szenario eintreten sollte, wird es eng für die syrische Staatsführung. Denn der Transfermarkt für Staatenlenker ist seit Jahren leergefegt. Geeignetes Führungspersonal mit einschlägiger Erfahrung wird auch in anderen Ländern des Nahen Ostens händeringend gesucht. Der gewiefte Taktiker Assad beteuert zwar seine Unschuld, um im Amt zu bleiben, doch hinter den Kulissen hat er längst eine Alternativplanung eingefädelt. Der milliardenschwere Supertransfer des russischen Präsidenten Wladimir Putin an die Spitze Syriens könnte den angezählten Wüstenstaat wieder stabilisieren und in der arabischen Liga halten.
Es geht um viel: Nur die ersten vier Tabellenplätze berechtigen zur Teilnahme an der Königsklasse, an Kriegen mit anderen Staaten. Die Plätze fünf bis sieben können immerhin noch in der Sheik-League in regionale Konflikte und Stammesfehden eingreifen. Laut Franz Beckenbauer ist die Sheik-League aber „ein absoluter Verlierer-Wettbewerb. So in etwa Obergiesing gegen Untergiesing. Des kannst komplett vergessen.“
Assad setzt also voll auf die russische Karte. Und wenn die russischen Kampfjets und Panzer tatsächlich wie versprochen weniger Schadstoffe ausstoßen als westliche Konkurrenzprodukte, dann kann sich die Bevölkerung in Zukunft an deutlich umweltschonenderen Kriegshandlungen erfreuen. Putin hat auch hier die Zeichen der Zeit erkannt. Im Kampf gegen den IS sollen erstmals E-Tanks eingesetzt werden.
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