Die Wahrheit: Grand Tour durchs Land der Coca-Cola

Im Jahr 1935 begaben sich zwei Sowjetsatiriker auf eine Reise durch die USA. Jetzt wird die Fahrt durch „das eingeschossige Amerika“ wiederholt.

Unvermutet schieben wir einen Werbeblock ein. Denn folgenden Zufall dürfen wir nicht ungenutzt lassen: Genau heute vor 80 Jahren, am 7. Oktober 1935, trafen Ilja Ilf und Jewgeni Petrow, zwei Autoren aus der Sowjetunion, mit dem Dampfer „Normandie“ in New York ein. Von dort aus unternahmen sie in einem mausgrauen Ford eine knapp drei Monate währende Tour durch die Vereinigten Staaten – bis zur Pazifikküste und zurück. In ihrer Heimat veranlasste Stalin gerade die ersten blutigen „Säuberungen“, in den USA suchte Roosevelt die Große Depression zu lindern. Und was hatten Ilf und Petrow vor?

„Wir wussten: Nur nichts übereilen. Keine vorschnellen Schlüsse. Erst einmal so viel wie möglich sehen. Wir arbeiteten uns durch das Land wie durch die Kapitel eines dicken, spannenden Romans, bei dem der Leser ständig der Verlockung widerstehen muss nachzuschauen, wie er ausgeht.“

Ihnen waren mit den satirischen Romanen „Die zwölf Stühle“ und „Das goldene Kalb“ Bestseller geraten, übersetzt in mehrere Sprachen, auch ins Englische. Nun also wollten die beiden Genossen das kapitalistische Imperium begutachten, gleichsam dienstlich, denn die Prawda hatte Artikel bestellt und veröffentlichte schließlich bis zum Oktober 1936 sieben Reportagen. Außerdem erschienen elf Fotoreportagen und im Frühjahr 1937 zuletzt das Buch „Das eingeschossige Amerika“. Für die französische Ausgabe pries eine Bandarole bündig: „Stalin schickt Ilf und Petrow ins Land der Coca-Cola“.

Stalin wird das Werk kaum persönlich geprüft haben, oder der Ruhm dieser Reporter schützte sie vor Repressionen, warum auch immer wurde wohl sehr wenig zensiert: Noch heute entpuppen sich die 47 Kapitel über Land und Leute und über das sie begleitende Ehepaar Adams als ein großartiger, satt (selbst-)ironischer, kluger, witziger Reportage-Roman. Ilf und Petrow betrachten scharfsinnig, neugierig staunend dieses riesige Amerika in getuschten Porträts wie in kräftigen Skizzen über Natur und Technik. Präziser bitte?

„Wir besuchten fünfundzwanzig Staaten und mehrere hundert Städte, wir atmeten die trockene Luft von Wüsten und Prärien, fuhren über die Rocky Mountains, erlebten die Indianer, sprachen mit jungen Arbeitslosen, alten Kapitalisten, radikalen Intellektuellen und revolutionären Arbeitern, mit Dichtern, Schriftstellern und Ingenieuren. Wir besichtigten Fabriken und Parks, bestaunten Straßen und Brücken, erklommen die Sierra Nevada und stiegen in die Carlsbader Höhlen hinab.“

Ach ja, um den nächsten Zufall aufzudecken: Dieser Tage fährt die Kollegin Felicitas Hoppe mit Kompagnons die Grand Tour von 1935 in etwa nach. Wer in den rubinroten Ford einsteigen, mit ihnen reisen möchte, wird auf der Netzseite „3668ilfpetrow.com“ Willkommen geheißen. Um das Ende mit dem Anfang zu verschnüren: Weder Putin noch Obama werden die Chance nutzen. Haben Bedeutenderes zu tun. Keep on keepin’ on.

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kari

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