Die Wahrheit: Die Virusliga
Am Freitag ist es wieder soweit, die Fußballsaison beginnt. Eine grauenhafte Krankheit wird von uns Besitz ergreifen. Sieger und Verlierer stehen schon fest.
J etzt geht es wieder los. Am Freitag! Ich kann nicht mehr! Ich kann Fußball nicht mehr ertragen! Trotzdem gehe ich immer wieder hin. Es ist eine Viruskrankheit. Man kann sich nicht dagegen wehren. Die neue Bundesligasaison beginnt.
Am Freitagabend spielt Bayern München gegen den Hamburger SV und wird mindestens 7:0 gewinnen, und wir wissen ab dann eine komplette Saison lang, wer Absteiger und wer Deutscher Meister werden wird. Samstag spielt dann Dortmund gegen Gladbach, der BVB mit neuem Trainer. Wieso weiß ich so was? Ja, weil ich in Dortmund wohne und weil hier niemand wohnen darf, der das nicht weiß!
Fußball ist ein gruseliger Sport. Nicht nur wegen Herrn Blatter. In Deutschland ist er beliebt wie keine andere Sportart, von der Schweiz aus wird er korrumpiert wie sonst nur noch der internationale Waffenhandel. Die schlimmste Fußballkrankheit nennt man inzwischen „Blattern“: das Vergeben von WM-Turnieren gegen Hingeblättertes. Für Wortspielfetischisten: So kam es zu schwerem Katar. Ich entschuldige mich bei allen Wortspielhassern.
Das Auswärtige Amt warnt inzwischen sogar schon vor Kamelritten im Nahen Osten, die könnten Viruskrankheiten übertragen, aber das Innenministerium warnt nicht vor Fußballspielen in Deutschland.
Fußball ist eine Sportart, deren Prinzip der Sieg durch geduldetes Foulspiel ist. Permanentes Unfair-Play, das „taktische Foul“, wird schon den Kleinsten vermittelt. Eltern in D- und C-Jugendspielen gebärden sich wie Hooligans in der Kurve. Jugendliche Schiedsrichter brauchen Personenschutz. So ist Deutschlands liebstes Spiel. Damit prägen wir jede neue Kindergeneration. „Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht foult, ist dumm!“
Neben dem Platz wird es ganz dumpf, denn da sitzt Deutschland, wie es leibt und lebt. Bei einem meiner letzten Bundesligaspiele, das ich sah, hockte einige Plätze weiter im Kölner Stadion dieses dumpfe Deutschland, und ein Zwölfjähriger rief, als „sein“ Spieler vom Schiedsrichter nach einem Foul die gelbe Karte bekam: „Schiri! Du verficktes Warzenschwein! Ich fick dich! Ich bring dich um!“ Weder Vater noch andere Mitgereiste kritisierten das Kind. Es hieß nur: „Genau. Gib’s ihm!“ Was soll aus diesem Kind werden? Bundeskanzler?
Dieses Spiel macht die Welt nicht schlauer. Neulich erst fragten Fußballreporter deutsche Spielerinnen, ob es nicht ein Drama sei, dass sogenannte Fußballzwerge zu den Frauen-WMs anreisen. Das Frauenteam hatte gerade 10:0 gegen die Elfenbeinküste gewonnen. Fußballreporter, die Geistesriesen der Republik! Dann dürfte Brasilien auch nicht mehr bei der WM antreten, denn der Fußballzwerg von der Copacabana hat bei der letzten Männer-WM gegen die Riesen aus Deutschland 7:1 verloren.
Wo ich selber am Samstag bin? In Hannover. In einer Kneipe. Im Shakespeare. Ich muss Darmstadt gegen Hannover schauen. Meine Freundin ist Fan. Da häng ich mit drin. Und abends gewinnt hoffentlich Dortmund gegen Gladbach!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!