piwik no script img

Die WahrheitSpiel mir das Lied vom Wein

Kolumne

Früher war es einfacher. Wenn man sich in irischen und britischen Restaurants nach dem Weinangebot erkundigte, bekam man zur Antwort, dass es roten und weißen gebe. Wer einen Rosé bestellte, erhielt eine Mixgetränk aus beiden Sorten. Fragte man nach einer Weinkarte, galt man als schwul.

Im Zuge des vorübergehenden Wirtschaftsbooms hat sich das Angebot deutlich verbreitert. In den Angeberlokalen ist die Weinkarte so dick wie ein historischer Roman von Peter Berling. Wer dazu gehören will, studiert die Karte aufmerksam, um sich vor dem Kellner und vor Freunden keine Blöße zu geben. Genauso gut könnten diese Menschen die Bauanleitung für eine Mondrakete studieren. Am Ende nehmen sie ohnehin den zweitbilligsten Wein. Das soll vorgaukeln, dass sie eine kenntnisreiche Entscheidung getroffen haben und nicht geizig sind, denn sie haben nicht das billigste Gesöff bestellt.

Millionen Menschen leiden unter diesem "Zweitbilligsten-Wein-Syndrom", so hat eine Untersuchung ergeben. 56 Prozent der Weintrinker trauen sich nicht, den Kellner um Rat zu fragen, weil sie fürchten, dass er ihnen einen Chateau Petrus für 350 Euro empfiehlt. Und nur die wenigsten wissen, welcher Wein zu welchem Essen passt.

Das ist auch völlig unwichtig. Viel entscheidender für den Geschmack des Weins sei die Musik, die dazu gespielt wird, so behaupten schottische Wissenschaftler von einer kleinen Universität in Edinburgh. Sie haben 250 Studenten zusammengetrieben, sie mit Wein abgefüllt und währenddessen verschiedene Musikstücke gespielt. Dafür wählten sie Titel aus, die den Studenten unbekannt waren. Das Ergebnis war eindeutig: Bei der kraftvollen Kantate aus Carl Orffs "Carmina Burana" kamen ihnen die eher laschen Chardonnay und Cabernet Sauvignon viel voller und kräftiger vor, während die Weine bei Tschaikowskis Nussknacker-Suite leichter und subtiler schmeckten.

Auf die Idee für die Untersuchung sind die Wissenschaftler durch den chilenischen Winzer Aurelio Montes gekommen, der seine Weinberge mit gregorianischen Chören beschallt, weil die den Trauben mehr Energie verleihen. Zum Merlot passe am besten "Sitting on the Dock of the Bay" von Otis Redding, findet Montes, während "All Along the Watchtower" in der Version von Jimi Hendrix einem Cabernet Sauvignon geradezu Flügel verleihe. Muss man den Wein dann in drei Minuten herunterkippen, oder wird das Lied solange gespielt, bis die Weinflasche leer ist?

Professor Adrian North, der die schottische Untersuchung leitete, hat sich schon vor zehn Jahren mit Wein beschäftigt. Damals bestückte er ein Supermarktregal mit deutschen und französischen Weinen. An einem Tag ließ er ausschließlich französische Akkordeonmusik spielen, am anderen deutsche Trinklieder. Bei der französischen Musik wurde fünf Mal so viel französischer wie deutscher Wein verkauft, am nächsten Tag war es genau umgekehrt. Bei Bushido soll die Kundschaft nach K.-o.-Tropfen gegriffen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!