Die Wahrheit: Die Biegungen der Gene
Der Tango aus der Sicht und im Spiegel der Wissenschaft.
Was ist er, der Tango? Wo kommt er her? Welche Funktion hat er? Das sind keine uninteressanten Fragen. Folglich beschäftigen sie seit Langem eine nicht geringe Zahl von versierten Gelehrten in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen.
Als gesichert und vielversprechend dürfen heute folgende Erkenntnisse und Ansätze gelten, die Licht in das Wesen, die gesellschaftliche Rolle und die - mehr oder weniger dunkle - Geschichte des von Lappland bis an die Südspitze Chiles verbreiteten Ausdrucks- bzw. Gesellschafts- oder auch Standardpaartanzes bringen oder zu bringen versuchen.
Die Quantenbiophysik untersucht die zellularmolekulare Zusammensetzung der Tangotänzer und -tänzerinnen (im folgenden vereinfachend: Tangotänzer) und arbeitet dabei mit der sog. Schwingungsschwunghypothese zweiten Grades, der zufolge die Doppelhelix der Tangotänzer im Vergleich zu jener der Nichttangotänzer über eine Geschmeidigkeit und Dehnbarkeit in einer geschätzten Größenordnung von 7,3 Nanobiegungen über Normalnull verfügt. Zieht man zudem in Betracht, dass die einzelnen Stränge der Tangotänzerdoppelhelix offensichtlich jeweils den Faktor 6,1 im Bereich der chemoelektrischen Erregbarkeit und der intersegmentalen Vibrationsinduktion aufweisen (durchschnittlich ist ein Wert zwischen 1 und 1,12), dann leuchtet ein, dass Nichttangotänzer mit der Doppelhelix von Nichttangotänzern nicht Tango tanzen können und nur Tangotänzer, deren Organismus durch die Doppelhelix eines Tangotänzers organisiert wird, auch Tango tanzen können.
Unterstützung erhalten die Quantenbiophysiker - gewissermaßen ex negativo - von den Astronomen, die in mehreren großangelegten Studien nachzuweisen vermochten, dass weder auf dem Saturn noch auf der Venus jemals Tangotänzer gelebt haben, da weder hie noch da in Gesteinsproben die geringsten Spuren von Tangotänzergenen gefunden wurden. Das gilt, räumen sie allerdings ein, auch umgekehrt - von Spuren von Nichttangotänzergenen keine Spur, weder hie noch da. Aus den Reihen der Semiotiker, die sich seit geraumer Zeit der Entschlüsselung der Zeichensprache des Tangos verschrieben haben, ist gleichfalls Aufschlussreiches zu vernehmen.
Der Tango, heißt es beispielsweise in dem unlängst erschienenen Sammelband "Expression und Korrelation - Der Tango als Komplexitätsreduktion und Expansion der Conditio humana" (Bologna/Gießen 2006), sei gekennzeichnet durch "die strukturell-referentielle Verwobenheit von außer- und innerweltlichen, dinglichen und seelischen, objektiven und subjektiven Wertkonstituenten, die in ihrer genuinen Zeichenhaftigkeit sowohl arbiträr als auch determinativ als auch kulturell vermittelt sind, womit die Nähe des Rhythmisch-Bewegungshaften zum artikulierten Wort und zum gegliederten Klang zumindest äußerst plausibel erscheinen sollte". Die Musikwissenschaft müsste hier sicher noch - ergänzend, kumulierend, vielleicht sogar panaschierend - das ein oder andere beitragen, und sie wird es gewiss tun.
In Vancouver wiederum hat sich ein zehnköpfiges Team von Historikern in einem zehnjährigen Forschungsprojekt mit den menschheitsgeschichtlichen Ursprüngen des Tangos beschäftigt. Die Ergebnisse, kurz zusammengefasst: Der Tango dürfte in Indonesien entstanden sein (und nicht, wie bislang vermutet, in Argentinien), und zwar im Rahmen eines prähistorischen Fruchtbarkeitsritus, der von Reisbäuerinnen ausgeübt wurde, die mindestens 112 Kilogramm auf die Waage bringen mussten.
Warum sie diese Bedingung zu erfüllen hatten, bedarf der weiteren Klärung. Die Anthropologie sagt zum Tango nichts. Der Soziologe Edward Peters (Universität Ohio) schließlich interpretiert den Tango als symbolische Interaktion zwecks Steuerung und Eindämmung bipersonal dargestellter, indes patriarchal begründeter Aggressionen, mithin als Transformation unbewusster Konfliktgehalte in sublime artistische Figuren von vorbildlicher kollektiver Prägekraft.
Worauf die Theologie antwortet mit der These, der Tango sei Inbegriff des Willens zur Unio mystica im Modus des Dualis (Mosebach, Ratzinger u. a.). Wir sind, das sei an dieser Stelle konzediert, angesichts der beeindruckenden Fortschritte auf dem Feld der Tangowissenschaft zwar klüger als je zuvor, doch trotzdem noch einen Trippelschritt davon entfernt, endgültig beurteilen zu können, warum und zu welchem Ende man den Tango tanzt.
Womöglich aber werden die letzten Fragen rund um den Tango nach dem G-2-Gipfel 2012 gelöst sein. Das lässt uns hoffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren