Die Wahrheit: Gottes empfindsame Wesen
Die Traumhochzeit des Jahrhunderts ist vorbei. Jetzt kann sich der Engländer wieder den wichtigen Dingen widmen - zum Beispiel dem politisch korrekten Umgang mit Haustieren ...
... Wissenschaftler von der Universität Oxford haben eine Zeitschrift mit dem Titel Journal für Tierethik herausgegeben. Chefredakteur ist der Pastor Professor Andrew Linzey, der wegen seines Einsatzes für "Gottes empfindsame Wesen" einen Ehrendoktortitel vom Erzbischof von Canterbury verliehen bekam.
Linzey hält das Kosewort "Pet", das im englischen Sprachraum auf Haustiere, aber auch auf zweibeinige Lieblinge angewendet wird, für eine Beleidigung - nicht nur für das Tier, sondern auch für den Besitzer. Das Wort "Besitzer" müsse ebenfalls abgeschafft werden. "Es ist zwar juristisch korrekt", sagt Linzey, "aber es gehört zu einem vergangenen Zeitalter, in dem Tiere als Eigentum, als Maschinen oder als Dinge, die man ohne moralische Hemmungen benutzen konnte, galten." Lieber soll man von "Tiergefährten" und "menschlichen Betreuern" sprechen.
Ob die Pet Shop Boys, das britische Elektropop-Duo, unter dem Namen "Buben aus dem Fachgeschäft für Tiergefährten" 1985 ihren Hit "West End Girls" gelandet hätten? Die Begriffe "Viecher" und "Biester" seien laut Linzey eine Vorstufe zur Tierquälerei, aber selbst "Wildtiere" sei ein Affront. Man solle von "frei lebenden, sich frei bewegenden oder frei umherstreifenden Tieren" sprechen. Auch gehöre das Wort "Wildnis" aus dem Sprachgebrauch gestrichen, denn damit assoziiere man "unzivilisierte, zügellose, barbarische Existenzen".
Linzey meint: "Wir werden nicht klar denken können, wenn wir nicht diszipliniert genug sind, weniger parteiische Adjektive für unsere Beziehungen zu Tieren zu verwenden." Es müsse endlich Schluss sein mit diesen gemeinen Vergleichen: Listig wie ein Fuchs, essen wie ein Schwein, voll wie eine Natter, dickköpfig wie ein Esel. Im Deutschen ist es noch schlimmer: Warum wird ein ungeschickter Mensch nach einem Seevogel aus der Ordnung der Ruderfüßer benannt? Tölpel sind keineswegs tollpatschig. Täuschen Schwalben etwa vor, gefoult worden zu sein? Was kann die Laus dafür, dass das Wetter schlecht ist?
Und sind Termiten besonders gefräßig? Die Angestellten einer indischen Bank bejahen diese Frage. Die Fluginsekten sollen umgerechnet mehr als 150.000 Euro im Safe der Bank verspeist haben. Bemerkt wurde es allerdings erst, als ein neuer Direktor in der Filiale in Uttar Pradesh seinen Dienst antrat. Die Angestellten beteuerten, dass die hungrigen Termiten schon lange in dem alten Bankgebäude lebten. Werden die kleinen Tiergefährten missbraucht, um eine Unterschlagung zu vertuschen?
Apropos: Haben Pflanzen etwa keine Gefühle? Neigt Gras zum Vertuschen von Dingen, weil es über sie wächst? Warum haben wir den Salat, wenn etwas schiefgegangen ist? Ist Tomaten etwas peinlich, nur weil sie rot sind? Auch die Wahrheitseite macht sich mit der "Gurke des Tages" täglich der Gemüsedemütigung schuldig. Professor Linzey, es gibt noch viel Arbeit.
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