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Die WahrheitHitchcocks Halsbandsittiche

Der Halsbandsittich ist die Rache der Fauna an England. Das Land, das für fast jede Tierart die passende Seuche bereithält, hat nicht mit den exotischen Vögeln aus Südamerika gerechnet. ...

... So breiten sich die Sittiche nun ungestört vor allem im Großraum London aus. Waren es 1995 nur 1.500 Stück, so ist ihre Zahl inzwischen auf mehr als 30.000 gestiegen.

Man hatte nicht erwartet, dass die an besseres Klima gewöhnten Vögel aus Übersee in England überleben würden. Da aber viele Engländer ihre Gärten mit exotischen Pflanzen bestückt haben, fühlen sich die Sittiche wie zu Hause. Ein Mann aus Kingston, wo die Sittiche besonders verbreitet sind, sagte, er sei hocherfreut gewesen, als er einen der bunten Vögel in seinem Garten entdeckte. "Wenn aber plötzlich 300 Stück dort sitzen, fühlt man sich an Hitchcocks ,Vögel' erinnert", meinte er.

Die britische Regierung hat den Halsbandsittich offiziell zum Staatsfeind erklärt. Das heißt, jeder darf ihn fangen und töten. Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte, die Tierinvasion koste die britische Wirtschaft 1,7 Milliarden Pfund im Jahr. Die Sittiche bedrohen die Stromversorgung in England, weil sie ihre riesigen Gemeinschaftsnester auf Strommasten anlegen. In den USA haben die Vogel-WGs des Öfteren sogar für Stromausfälle gesorgt, so dass der Besitz der Tiere in einigen Staaten streng verboten ist.

Außerdem leiden die heimischen Vögel, weil ihnen die Sittiche das Futter wegfressen. Und wenn sie sich erst mal auf dem Land ausbreiten, könne man die Ernte vergessen. Deshalb ist die Bevölkerung aufgefordert, das aufdringliche Federvieh abzuknallen. Dagegen hat der Vogelschutzbund Einspruch eingelegt. Er warf der Regierung Rassismus gegenüber ausländischen Vogelarten vor. Ein Regierungssprecher antwortete daraufhin, der Halsbandsittich sei "so britisch wie ein Currygericht". Der Vogelschutzbund plädiert dafür, die Sittiche umzusiedeln. Mit einem Einwegticket nach Brasilien? Andrew Tyler von der Tierschutzorganisation Animal Aid sagte: "Eine Tierart als Ungeziefer und Parasiten einzustufen, ist intolerant. Wenn es uns ernst mit der friedlichen Koexistenz ist, müssen wir Land an sie abtreten." Warum dann nicht Windsor Castle und seinen riesigen Park? Dort ist man an Parasiten ja bereits gewöhnt.

Wie sind die Vögel überhaupt nach England gekommen? Eine Theorie lautet, dass sie 1951 während der Dreharbeiten für den Film "The African Queen" aus dem Filmstudio in Ealing abgehauen sind. Andere glauben, dass sie während eines Tornados 1981 aus einem privaten Vogelkäfig geflohen sind. Manche machen sogar Jimi Hendrix für die Plage verantwortlich. Der legendäre Gitarrist hatte in den sechziger Jahren in der Londoner Carnaby Street ein Sittichpärchen freigelassen.

Die einfachste Lösung wäre, die Sittiche zu schlachten und als Weihnachtsbraten zu verkaufen. Da der Engländer ohnehin alles erbarmungslos in Pfefferminzsauce ertränkt und mit warmem Bier herunterspült, würde er nicht bemerken, ob er Truthahn, Gans oder Sittich isst.

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8 Kommentare

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  • MM
    Molly Malone

    Halsbandsittiche auf Strommasten? Hm, große, gefährlich schwere Vogelnester kannte ich bislang nur von Weißstörchen. Aber vermutlich sind selbst eingewanderte Vögel in England anders als in Europa? Im Rheinland jedenfalls brüten die grünen Sittiche mit dem hübschen roten Ring am Hals vorwiegend in Baum-Höhlen. Zum Unmut der Spechte, die sich von den kecken Hausbesetzern um ihre Immobilie gebracht sehen. Außerhalb der Brutzeit treffen sich die Federviehcher allabendlich zum gemeinsamen Schlafen in einem Baum ihrer Wahl. Das ist zwar mit Radau verbunden - aber das ist auch schon das ganze Problem.

  • E
    egal

    Danke Fant, so muss ich das nicht mehr anmerken. Daran kann man ablesen wie intensiv sich Herr Sotscheck in die Materie eingearbeitet hat. Taz zahl ich sicher nich...

  • HW
    hanns wurst

    wie geil! die wahrheit. mir gehts besser, hat gut getan!

  • S
    Siegfried

    Ich finde die Engländer einfach klasse!! Die tun wenigstens etwas gegen gefiederte Plagegeister. Wir Deutschen dagegen lassen uns von den Plagegeistern mit Namen Taube, ähh nein, Flugratte, lieber auf den Kopf scheissen, als sie endlich zu reduzieren.

  • HW
    hans wurst

    wieder einmal ein paar aufgewärmte großstadtmythen, unreflektiert und dramatisiert dahingeschrieben. ergänzt um ein paar launigen lesermeinungen mit einer noch besseren schmonzette über kolibris, was sagt mir das nicht viel außer das die verfasser scheinbar und entgegen eigenem bekunden nichts von der materie verstehen, ja ich bin grad in motzlaune, bitte was soll so ein artikel, für jäger sind ein paar einwandernde wölfe eine bedrohung der einheimischen tier- ne besser wohl der eigenen zielscheibenwelt, das man solche argumente unreflektiert abschreibt hätte ich zumindest nur von der örtlichen lokalpresse erwartet...

    eine kleine aufgabe wer kriegt (achtung! übers internet) die verbreitung der kolibris in nordamerika heraus die verbreitung von halsbandsittichen hat sich ja schon gefunden, wers schafft hat das journalistendiplom in der tasche!

  • SC
    Sitti che

    Die vielen Indisch-Stammigen Engländer mit eigenen Sendern auf 28Ost(Astra2-Digital) wählen diese Regierung hoffentlich nicht mehr.

    Amerikanische Eichhörnchen sind krass agressiver als die normalen Eichhörnchen und verdrängen diese in den englischen Gärten. Amerikanische Schnappschildkröten in Italien ebenso.

    Usw. In Köln gibts die einzige Papageien-Sammel-Schlafstätte Europas hiess es mal in einer Dokumentation.

     

    Bei Tauben heisst es, man legt Futterstellen an, sorgt dafür das sie ihre Nester dort bauen und tauscht die Eier gegen Attrappen aus. Man kann natürlich auch jedes Hoch-Haus für hunderttausende Euros mit Anti-Tauben-Einrichtungen auf meine Kunden/Pensions/Mieter/Kleinaktionärs/Steuerzahler-Kosten ausbauen lassen und das Problem immer nur zum Nachbar-Hochhaus verschieben. Danke rot-grüne Regierung. Danke Trittin und Nahles.

     

    Wegen des Vorschlages, die zu essen: Aldi-UK macht in UK-TV (FreeSat auch in ganz NRW empfangbar) Werbung für ein Stück Fleisch wo noch drei Sorten verschiedenes Vogelfleisch (Ente und noch zwei Sorten die ich vergessen habe) drin sind. Dazu würde das jetzt passen.

     

    Wer neulich die Affenfleisch-import-Doku mit dem Flughafen-Zoll Paris irgendwo (ich glaube ÖR) gesehen hat, findet vielleicht ein paar Bevölkerungsgruppen welche die Vögel fangen und in ihrem Essen verarbeiten. Das würde die Regierung nichts kosten und vermutlich besser funktionieren als die meisten deutschen Staats-Projekte.

    Für 1 Euro pro Stück würde ich auch Ratten fangen. Wenn man maximal 5 Euro pro Tag auszahlt, hat jeder was davon. Ausser dem Schwager vom Stadtverordneten der den Auftrag haben will.

  • EP
    el Presidente

    Engländer gelten als die Yankees von Europa.

    Aber das stimmt nicht. Engländer sind einfach nur langweilig und blöd. Die Yankees sind denen haushoch überlegen. Zur Erläuterung:

     

    Wer sich etwas mit Vögeln auskennt, der stellt total überrascht fest das es in USA viele Kolibris gibt, die dort eigentlich gar nicht vorkommen dürften. Sogar in New Jersey gibt es Kolibris. Angeblich sogar bis zur Grenze von Kanada(!). Des Rätsels Lösung heißt WALMART. Unglaublich aber wahr, denn Walmart verkauft für ein paar Dollar sog. "Hummingbird-Feeder" (=Kolibri-Futterstationen). Die werden vorzugsweise von den Yankee-Rentnern gekauft die den Winter im Süden verbringen, wo es Kolibris gibt, und wo sie diese Feeder dann an ihre Camper hängen.

     

    Die Rentner haben natürlich keine Ahnung von Biologie und nehmen diese Feeder mit nach Norden wenn sie im Sommer wieder zurückfahren. Die Kolibris folgen einfach dem Feeder und Walmart reagiert auf die seltsame Nachfrage dort und verkauft das deshalb auch im Norden.

     

    Durch dieses fantastische Mißverständnis haben es die wundervollsten Kolibri so weit nach Norden geschafft. Einziger Wermutstropfen dabei:

    Wenn Walmart pleite geht, dann ist es aus mit den Picaflor aus el Sur. Die Evolution ist leider wie immer gnadenlos. Deshalb: Viva Walmart!

     

    P.S:

    Hier mal ein Bild des Hummingbird feeder.

    (Ich weiß aber nicht ob ich hier Links posten kann).

     

    http://i.walmartimages.com/i/p/00/07/89/78/22/0007897822000_500X500.jpg

  • F
    Fant

    Halsbandsittiche kommen nicht aus Südamerika, sondern sind ursprünglich in Afrika und auch Asien heimisch.

     

    Vielleicht haben sie von da ja auch das Curry mitgebracht ...