piwik no script img

Die WahrheitAbgase und Gewisper im Promilokal

Kolumne
von Susanne Fischer

Wenn man mit der Energie, die Leute auf das Reden über das Wetter verschwenden, heizen könnte, ständen wir alle besser da …

Ich finde, dass Quatsch-Energie bei der Suche nach alternativen Heizmethoden dringend erforscht werden müsste: Beinahe jeder hat genug davon; es macht die Leute froh, wenn sie sich ausquaken können, und falls man das Gerede direkt in eine Art Biogasanlage einleiten könnte, müsste zum Beispiel ich mir den Humbug nicht länger anhören.

Das mit dem Wetter geht ja noch. Aber dieses ewige Gemeine könnten die Energieversorger von mir aus gern schonend in Wärme und Geflüster aufspalten. "Wulff muss sofort zurücktreten! Das geht ja gar nicht!" - "Wieso? Man wird doch noch bei seinen Freunden übernachten dürfen, das machen wir doch auch." Sie wissen alle nichts, außer, dass sie auf jeden Fall recht haben, und der Rest der Welt das hören soll, ob er will oder nicht.

Ich weiß selbst auch nichts, will aber was wissen und begebe mich deshalb unerschrocken in den Sumpf der Hannover-Connection. Ich möchte mal ausprobieren, wie das geht, Bestechung, und lade deshalb einen Kollegen in das Prominenten-Restaurant "Die Insel" ein. Leider ist die Gefahr, dass der Kollege eines Tages Bundespräsident wird, äußerst gering.

Außerdem hasse ich Wörter wie "Prominenten-Restaurant". So eine Gaststätte zeichnet sich dadurch aus, dass schon im Flur Grinsebilder vom Wirt mit lokalen Wichtigtuern hängen. Sie sollten Namen drunterschreiben, damit man sie erkennt, denn hier sind es bloß Prominente aus Hannover wie Klaus Meine (das wusste der Kollege, ich hätte den Gnom mit der schwarzen Klapphirnschale nicht erkannt) und irgendwelche Fußballheinis (das wusste der Kollege auch).

Wulff wurde offenbar abgehängt, aber dafür strahlt Altkanzler Gerd von der Wand (das wusste jetzt mal ich), Arm in Arm mit dem Wirt, wie dafür bezahlt. Wurde er ja vielleicht auch: "Das Kalbsbries geht aufs Haus, Gerd, und jetzt schau, da kommt das Vögelchen!"

Wenn man den Grinskanal überstanden hat, öffnet sich ein Gastraum im Stil eines Hotels in, sagen wir, Streberheim an der Schnarch. Mit Blick auf Hannovers ganzen Stolz, den Maschsee. Erstaunlicherweise senken wir den Altersdurchschnitt der Gäste radikal, obwohl ich mich immerhin noch an Schwarzweißfernsehen erinnern kann. Prominente sind nirgendwo zu sehen, oder ich erkenne sie mal wieder nicht.

Überhaupt ist jetzt schnell zu merken, dass wir unermüdlichen Wahrheit-Reporter in der großen Welt von Klaus Meine und Co. nicht wirklich zu Hause sind: Es gibt Soßennamen, von denen wir noch nie gehört haben, und vor "karamellisierter Flugananas" fürchten wir uns. Was ist, wenn sie zu tief fliegt? Wir spielen mit dem Baby-Rosenkohl Tipp-Kick, und ich erschaffe nebenher das Kunstwerk "Tafeltuch mit unaussprechlicher Soße".

Erst bei "Dreierlei von der Crème brûlée" bin ich dann bereit, zuzugeben, dass Bestechung sich doch lohnen kann. Falls mir jemand ein Nachtisch-Abo gewährt, werde ich ihn im Falle meiner Präsidentschaft gnadenlos begünstigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • A
    anke

    Das ist aussichtslos, Frau Fischer, und völlig hoffnungslos dazu. So kommen Sie nie zu einem Nachtisch-Abo. Ich meine: Wenn Sie überall herum erzählen, dass Sie nicht wissen (und auch nicht wissen wollen) wie die Lokal-Heiligen der diversen Kneipenwirte aussehen, bei denen Ihre Kollegen so ver- bzw. einkehren, haben Sie keine Chance. Ich weiß ja sonst auch nicht eben viel, aber daran erlaubt meine gefühlt 120-jährige Lebenserfahrung der letzten 30 Jahre keinerlei Zweifel: Eher wird noch Ihr hannover-connection-fester Kollege (Ex-) Bundespräsident, als dass Sie auch nur den Zucker zum nächsten Espresso umsonst bekommen. Es gibt halt nicht nur Gesetze, die von amtswegen veröffentlicht werden, sondern auch ungeschriebene. Und wer sich an die nicht hält, den lassen sie zur Strafe hundertmal seltener in Teufels Küche, als jeden Millionen-Hinterzieher mit Bild-Gedächtnis.