Die Wahrheit: Der Unberührbare
Am Mittwoch dieser Woche wurden neue Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten bekannt: "Wer zahlte Wulffs Sylt-Urlaub?", fragte "Bild" scheinheilig ...
... und wusste selbstverständlich längst wer - ein Unternehmer, der den seinerzeitigen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff im Jahr 2007 auf die Insel eingeladen hatte. Wulffs Anwälte beeilten sich allerdings zu erklären, dass ihr Mandant das vorgestreckte Geld längst aus eigener Schatulle in bar zurückgezahlt habe.
Doch wer den Präsidenten besser kennt, der weiß: es bei Vergünstigungen für einen Sylt-Aufenthalt zu belassen, ist nicht sein Stil. Vielmehr soll Wulff neuen Enthüllungen zufolge mehr gereist sein, als bisher bekannt. So soll er mit einem geleasten Skoda einen ebenfalls zu vergünstigten Bedingungen gemieteten Wohnwagen auf einen Campingplatz im Harz gezogen haben, wo er, selbstverständlich zu Sonderkonditionen, fünf Tage Urlaub machte. Mit wem er diese Tage im Wohnwagen verbrachte, soll hier aus Gründen der Diskretion nicht mitgeteilt werden. Nur so viel: Die Vorhänge waren die meiste Zeit zugezogen.
Wulff brachte zwar eigene Bettwäsche mit, teilte aber mit seinen "Freunden vom Campingplatz" Handtücher, Duschbad und Fußpilz in der Gemeinschaftsdusche. Auf die Frage, warum er Wulff die Sonderkonditionen geboten habe, gab der Campingplatzbesitzer an: "Ich hatte keine Wahl, Wulff drohte mir, meinen Campingplatz im Anzeigenteil unserer Lokalausgabe von Bild zu ,verbrennen'. Das konnte ich mir finanziell nicht leisten", so der heute noch von den Ereignissen gezeichnete Mann.
Mit der gleichen Masche soll Wulff auch auf mehreren anderen Campingplätzen in Niedersachsen vergünstigten Urlaub gemacht haben, immer habe er am Ende zu wenig bezahlt und auf den Protest der Betreiber hin mit seinen Kontakten zur Springerpresse gedroht. Erst jetzt, nach seinem Zerwürfnis mit dem Konzern, ist das Kartenhaus zusammengebrochen und die Betroffenen wagen es, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Doch nicht nur in der Campingszene erinnert man sich an Schnäppchenjäger Wulff. Erst jetzt wurde bekannt, dass Wulff während seiner Amtszeit an vielen Kaffeefahrten teilnahm - für lediglich zwei Drittel des Normalpreises. Anstatt aber bei den Verkaufsveranstaltungen die angepriesenen Lamadecken und Töpfe zu kaufen, trank er nur den "Kaffee mit Schuss", der umsonst angeboten wurde: "Am Ende einer solchen Fahrt war er immer so voll, dass er die Öffentlichen benutzen musste. Dabei wurde er dann regelmäßig beim Schwarzfahren erwischt", erinnert sich sein Intimus Olaf Glaeseker, wie der Spiegel berichtet. "Die Rechnungen kriegte dann immer ich. Ich habe sie dann aus Landesmitteln bezahlt."
Doch auch das ist immer noch nicht alles. Von seinem Hannoveraner Kumpan Carsten Maschmeyer bekam Wulff im Jahr 2009 eine Backpacker-Reise nach Indien geschenkt. Nur mit einem Rucksack ausgestattet, bereiste Wulff den indischen Subkontinent drei Monate lang auf Zug- und Lastwagendächern, schlief in ärmlichen Hütten und aß mit Unberührbaren aus einer Schale Reis. "Hauptsache, geschenkt!", freut sich der Bundespräsident noch heute. "Sonst könnte ich ja den zinsfreien Kredit für mein Haus in Großburgwedel kaum abzahlen", meint er.
Wer also gehofft hatte, die "Causa Wulff" würde noch vor dem Frühjahr beendet und die Begriffspaarung "Causa Wulff" ein für allemal auf den Schrottplatz der Medienphrasen geworfen, wird im nächsten Jahr noch sehr stark sein müssen. Vielleicht sollte man sich hierzulande an den Malediven orientieren. Der Präsident des Inselreiches im Indischen Ozean wurde gerade zum Rücktritt gedrängt. Für die ihm angelasteten Verfehlungen droht ihm nun eine drakonische Strafe, wie es in den Meldungen heißt: "die Verbannung auf eine abgelegene Insel." Es muss ja nicht immer gleich Sylt sein.
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