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Die Wahrheit„Ich liebe Goldlocken!“

Der Schuldenschnitter im Wahrheit-Interview.

Manchmal muss man eben mit der Schere ran, dann aber, bitte schön, mit Eleganz und Hingabe. Bild: dpa
Michael Gückel
Interview von Michael Gückel

Er sieht aus wie eine Mischung aus Sensenmann und Dragqueen, hat eine Ausstrahlung wie Udo Walz auf Ecstasy und die vertrauensbildende Stimme eines Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Wir haben den derzeit wieder sehr gefragten Schuldenschnitter während einer Stippvisite in seiner Heimat Rheinland-Pfalz getroffen.

taz: Lieber Herr Schuldenschnitter, Sie erleben momentan ein Comeback, wie es viele nicht mehr für möglich gehalten haben. In Griechenland haben Sie eine Arbeit abgeliefert, wie in Ihren besten Jahren als Entwicklungshilfefrisör.

Schuldenschnitter: O, danke schön. Es freut mich immer, wenn ich Anerkennung für meine Arbeit bekomme. Aber Griechenland war auch eine sehr haarige Angelegenheit, manchmal dachte ich, bei dieser verfilzten Zottelmähne hilft nur noch Kahlschlag, eine blankpolierte Drachmen-Glatze. (Der Schuldenschnitter lacht:) Aber ich ich hab dann doch noch eine fesche Kurzhaarfrisur hingekriegt.

Man merkt sofort, Schneiden ist Ihre Leidenschaft. Aber das willkürliche Kurzschneiden allein reicht Ihnen nicht.

Nein, guter Gott, nein! Der Stil ist das Wichtigste, man muss eine Vision von der Finanzfrisur haben. Man geht da nicht einfach mit dem Rasierer drüber. Wie sähe das denn aus? Ich lege Wert auf Details: hier ein paar Prozentstufen, dort ein paar goldene Strähnchen. Zur Not geh ich auch mal mit dem Glätteisen an die Börsen-Koteletten ran.

Aber ist das nicht vergebliche Mühe, Schuldenschnitt ist doch gleich Schuldenschnitt?

Da sind Sie aber auf dem Holzweg! Was nützt denn ein Schnitt, wenn er nicht zum restlichen Auftreten passt? Ich hätte Griechenland ja auch einen plattgedrückten Vokuhila machen können. Da hätten mir die Hellenen aber was erzählt! Zu Recht, bei diesen goldigen Athener Löckchen! In denen steckt noch mehr Sprungkraft, als man denkt!

Sie denken also, die griechischen Finanzhaarwurzeln sind noch in Ordnung? Man hört ja so einiges von juckender „Kopf-oder-Zahl-Haut“ und korrupter Kreditschuppenbildung.

Ach wissen Sie, als Schuldenschnitter – oder Currency Coiffeur, wie ich immer sage – erleben Sie so einiges. Griechenland hat jahrelang das falsche Schuldenschampoo genommen, bis die Haarwurzeln immer trockener und die Locken immer spröder wurden. Da half dann auch keine Troika-Spülung oder EU-Pflegepackung mehr. Manchmal muss man eben mit der Schere ran, dann aber, bitte schön, mit Eleganz und Hingabe, so dass man nachher noch ohne Bedenken in den Spiegel schauen kann.

Das ist ein gutes Stichwort, denn die Qualität Ihrer Arbeit spricht sich anscheinend herum. Ihre Warteliste soll mittlerweile sehr, sehr lang sein: Spanien, Portugal, Italien, Irland – da sind doch ein paar interessante Kandidaten für eine neue Frisur dabei, oder?

Das mag schon sein, aber mich reizt das nicht wirklich. Diese ganzen Länder haben sich vor ein paar Jahren alle die gleiche Euro-Blondierung draufgehauen. Bei manchen hat das die Spannkraft völlig ramponiert. Am liebsten würde ich in den USA arbeiten. Die haben dort unglaublich schöne, lange Dollar-Schuldenhaare. Ich weiß gar nicht, wie die das machen, ohne Spliss zu kriegen. Das wäre eine neue Herausforderung, den klassischen GI-Schnitt mit ein paar finanziellen Fönwellen aufpeppen. Hach!

Und, haben Sie schon Ihr Interesse bekundet?

Mit den amerikanischen Schuldensträhnen ist das so eine Sache, sie lassen da ungern jemand anders ran. Ich hoffe, ich plaudere da nicht zu sehr aus der Trockenhaube, aber: Die schneiden sich seit Jahren selber die Haare. Das sieht nicht besonders schön aus, funktioniert aber irgendwie. Was viele auch nicht wissen, die kriegen schon erste graue Haare. Würden die nicht ab und zu eine kräftige Inflationstönung draufmachen, sähen die fürchterlich aus. Aber erzählen Sie das bitte nicht weiter, sonst kann ich meinen Urlaub in Miami vergessen.

Versprochen. Wir sind ja unter uns.

Apropos, wie sieht es denn bei Ihnen aus, Journalisten sind doch auch chronisch klamm auf der Kopfhaut? Soll ich mal Ihren Schulden ein bisschen die Spitzen schneiden? Ich hätte gerade noch zehn Minuten Zeit.

Och, das wäre ja geradezu himmlisch.

Kein Problem, ich hole nur schnell den Besen. Man muss die abgeschnittenen Miesen ja auch irgendwo unterkehren.

Herr Schuldenschnitter, wir danke Ihnen für das Gespräch.

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