Die Wahrheit: Busfahrt mit Dominoeffekt
Ein Doppeldeckerbus gilt als relativ sicheres Transportmittel. Steigt man jedoch in den falschen Bus, kann man wegen Demenz im Altersheim landen.
E in Doppeldeckerbus gilt als relativ sicheres Transportmittel. Steigt man jedoch in den falschen Bus, kann man wegen Demenz im Altersheim landen. Mein Freund Stefan sollte einen ausrangierten Doppeldecker von Berlin nach München überführen. Zehn seiner Bekannten fanden, das sei eine gute Gelegenheit, unterwegs eine Party zu feiern. Sie versorgten sich mit Buletten, Kartoffelsalat, einem Fässchen Bier und einer Thermoskanne Kaffee für den Fahrer.
Schon in der Schöneberger Kolonnenstraße ritt Stefan der Teufel. Als er an einer Haltestelle eine gebrechliche alte Dame sah, hielt er an, ließ sie einsteigen und erklärte der überraschten Passagierin, dass die BVG an diesem Tag keinen Fahrpreis verlange und kostenlos Buletten mit Bier oder Kaffee serviere. Und als Sonderservice würden die Kunden bis vor ihre Haustür gefahren.
Leider wohnte die Frau in einer sehr schmalen Tempelhofer Straße, so dass der Bus fast steckengeblieben wäre. Die alte Dame aber war hocherfreut und sagte zum Abschied, dass sie sogleich ihre Tochter anrufen und ihr von dieser außergewöhnlichen Dienstleistung berichten werde. Vermutlich wird die Tochter am Verstand der Mutter gezweifelt und sich nach einem Heimplatz erkundigt haben.
In Glasgow ist das Busfahren mitunter noch abenteuerlicher – zumindest wenn Frank Kennedy an Bord ist. Der 27-Jährige saß mit seinem Freund Steven McNee im Bus Nr. 66, sie waren voll wie Nattern. Weil die beiden einem anderen Passagier auf die Nerven gingen, streckte der McNee mit einem Fausthieb zu Boden. Fahrer Pawel Smetek stoppte den Bus, um von einer Telefonzelle die Polizei und einen Krankenwagen zu rufen. Die trafen auch zügig ein, doch als sie sich um McNee und dessen Angreifer kümmerten, setzte sich Kennedy hinter das Steuer. Smetek hatte den Schlüssel im Zündschloss stecken lassen.
Kennedy fuhr los und ging so schnittig in die Kurve, dass Smetek und der Polizist aus dem Bus geschleudert wurden. Drei Sanitäter und acht Passagiere versuchten, Kennedy zu überwältigen. Der verlor in dem Chaos endgültig die Kontrolle und raste in zwei Autos, einen Krankenwagen und ein Polizeiauto. Durch den Aufprall wurde der Krankenwagen in einen Zaun gedrückt, der umfiel und auf der Gegenfahrbahn ein Auto traf, das beim misslungenen Ausweichmanöver einen Sportwagen rammte. Erst jetzt konnte der Polizist, der inzwischen wieder in den Bus gekrabbelt war, Kennedy Handschellen anlegen. „Was meinst du“, fragte der den Beamten, „was ich dafür bekommen werde?“
Die Antwort gab ihm später der Richter. Kennedys Verteidiger hatte argumentiert, dass man das Verhalten seines Klienten wohl dem Alkohol zuschreiben müsse. Es war freilich nicht sein erstes Vergehen. Kennedys Vorstrafenregister würde normale Menschen überraschen, meinte Richter Norman Ritchie und verurteilte den Busräuber zu zwei Jahren Gefängnis. Außerdem belegte er ihn mit einem Fahrverbot für fünf Jahre. Letzteres kann Kennedy wohl verschmerzen. Er besitzt nämlich gar keinen Führerschein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!