Die Wahrheit: Im Steinbruch mit Giorgio Armani
Im Jahr des Drachen: In letzter Zeit häufen sich hier in Peking Fashionshows internationaler Nobelmarken. Da muss ich natürlich hin.
I n letzter Zeit häufen sich hier in Peking Fashionshows internationaler Nobelmarken. Da muss ich natürlich hin. Nicht, dass ich mich wirklich für Mode interessiere. Doch gucke ich mir immer wieder gern die reichen Knöpfe an, die sich bei solchen Events versammeln. Schließlich haben sich in der Geschichte Chinas die Verhältnisse oft blitzartig geändert. Das heißt, ein jeder dieser Knöpfe könnte morgen schon mit einem dicken Vorschlaghammer im Steinbruch stehen – und Kiesel produzieren. Da möchte man diese Leute doch noch mal heiter sehen.
Andererseits kann es auch sein, dass ich als dekadenter Ausländer entlarvt werde. Vielleicht muss ich dann Steine klopfen. Deshalb kann es sicher nicht schaden, den einen oder anderen einflussreichen Knopf zu kennen, der einen im Notfall aus dem Steinbruch pauken kann.
Auf diese Weise bin ich auf meine etwas älteren Tage noch zu einem Experten für Modenschauen geworden. So kann ich auch mit einiger Berechtigung sagen, dass die Show der vormaligen Nazi-Uniformschneiderei Hugo Boss neulich im Agricultural Exhibition Center eine eher langweilige war. Immerhin hatte man als Ehrengast neben Hollywood-Aktrice Tilda Swinton den großen Chow Yun-Fat einfliegen lassen. Und auch der Freeflow-Champagner (Moët & Chandon rosé) für die etwa 1.500 Gäste, das Sashimi-Buffet und die gewählte historische Location waren ganz so übel nicht.
ist Kolumnist der Wahrheit. Seine Geschichten sind auch als Buch erschienen.
An die Prada-Show Anfang letzten Jahres in der Akademie der Künste kam aber Boss nicht ran. Und es war nicht nur der kredenzte Champagner G. H. Mumm, der bei den Italienern besser mundete. Bei Prada trat als Superbonbon – wir berichteten – Pet Shop Boy Neil Tennant auf. Armani allerdings toppte am vergangenen Donnerstag alles bisher Dagewesene. Dabei stachen nicht unbedingt die noch zahlreicher eingekauften Promiüberraschungsgäste die der vorangegangenen Events aus. Tina Turner (Ex-„Rockröhre“, ca. 102) ist ja nicht unbedingt toller als Frau Swinton. Und auch Mary J. Blige – die für Armani sang – kommt kaum gegen einen Giganten wie Neil Tennant an.
Doch erstens erschien Armani-Gründer Giorgio Armani zu seiner Pekinger Schau selber, während die Gründer Mario und Martino Prada sowie Hugo Boss auf ihren Events durch Abwesenheit glänzten. Und zweitens gelang es Armani durch eine Zweiklasseneinladungspolitik einen nicht unerheblichen Teil der Pekinger VIPs ganz wunderbar zu demütigen: Während sich A-Promis in einem separaten Bereich an der Modenschau und dem Mary-J.-Blige-Konzert delektierten, waren die erst später eingelassene B-Promis gezwungen, sich vor den verschlossenen Türen des A-Bereichs Champagner trinkend (Moët & Chandon Imperial) die Beine in den Bauch zu stehen.
Ich jedenfalls genoss die Klassenkämpfe, die sich das B-Promi-Proletariat erfolglos mit Armanis Türstehern lieferten. Um den Steinbruch allerdings wird Armani trotzdem nicht herumkommen: Sorry, Giorgio. Aber mich zu den B-Promis zu sortieren, war einfach ein zu großer Fehler.
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