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Die WahrheitDie Rache des hungrigen Paketsklaven

Michael Gückel
Kolumne
von Michael Gückel

Das Leben könnte viel entspannter und reibungsloser verlaufen, wäre man nicht in so mancher Situation auf seine Mitmenschen angewiesen ...

D as Leben könnte viel entspannter und reibungsloser verlaufen, wäre man nicht in so mancher Situation auf seine Mitmenschen angewiesen – oder sogar abhängig von ihnen. Zu den Zeitgenossen, die eine gewisse Macht über einen haben, zählen unter anderem Finanzamtsachbearbeiter, Schornsteinfeger oder Paketzusteller. Sie alle kann man sich nicht aussuchen. Und das, obwohl sie einem das Leben recht beschwerlich machen können.

Mit meiner Sachbearbeiterin beim Finanzamt hatte ich Glück, sie ist freundlich und hilfsbereit. Zu Schornsteinfegern pflege ich ein neutrales Verhältnis: Sie lassen mich in Ruhe und ich sie auch. Aber Paketzusteller sind für jemanden wie mich, der ständig dies und das im Internet bestellt, ein wunder Punkt. Ich erinnere mich sehnsüchtig an meinen früheren Paketboten, der immer gut gelaunt und gleichzeitig zuverlässig war. Leider ist er seit einiger Zeit im Exil und hinterlässt hier einen Nachfolger, der mich zur Verzweiflung bringt.

Es fing wohl damit an, dass ich dem hungrigen und von seinem Chef vermutlich schlecht entlohnten neuen Paketsklaven keine Pizza anbot. Denn als ich ihn das erste Mal sah, starrte er ungläubig auf das in meinem Ofen gerade brutzelnde Abendessen und ergänzte: „Oh, das ist aber eine Riesenpizza, essen Sie die ganz allein?“ Worauf ich antwortete, dass ich gedenke, meiner Frau etwas übrig zu lassen. Er wirkte sichtlich enttäuscht. Dann nahm das Elend seinen Lauf. Präziser formuliert ist die Zustellung seitdem auf multiplen Ebenen gestört.

Zunächst lernte ich die bemitleidenswerten und bisher unbekannten Nachbarn Weis und List kennen, die offenbar in meinem Fußabstreifer wohnen. Dort hatten sie nämlich zwei Pakete für mich angenommen, während ich nicht zu Hause war. Immerhin waren die Sachen bei meiner Rückkehr noch da. Dass die beiden da wohnen, weiß ich erst aus der immer nützlicher werdenden Online-Sendungsverfolgung. Denn Benachrichtigungskarten, wo und bei wem ein Paket gelandet ist, bekomme ich längst nicht immer. Und wenn, dann erst Tage später per Post.

Weis und List scheinen die Annahme seit Neuestem zu verweigern, weshalb der Zusteller auf andere Nachbarn ausweicht: den Fahrradladen, die Bürogemeinschaft im Nachbarhaus oder eben Unbekannte. Wo genau etwas liegt, muss ich erraten oder durch Trial and Error herausfinden. Kärtchen gibt es ja nicht und online steht es nur manchmal. Neuzugang in der Riege der Nachbarn ist ein gewisser Herr Hueber, der aber weder in meinem Haus noch sonst wo in der Straße aufzutreiben ist. Vielleicht hat der Zusteller das Paket einem gerade anwesenden Passanten in die Hand gedrückt?

Also, lieber Paketbote, ich richte mich jetzt mit dem folgenden versöhnlichen Angebot direkt an Sie: Wenn Sie mir in Zukunft meine Pakete wieder zustellen oder zumindest irgendwo abgeben, wo ich sie wiederfinde, dann bekommen Sie von der nächsten Pizza auch was ab. Sollte ich nicht zu Hause sein, habe ich Ihr Stück bei Weis oder List abgegeben. Schauen sie einfach mal unter die Fußmatte!

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Michael Gückel
Wahrheit-Autor
Wahrheit-Autor, Jahrgang 1981. Seit 2008 taz-Autor und seit 2009 „ständige Vertretung“ im Ressort Wahrheit. Spezialgebiete: Blasphemie, Schmähkritik sowie satirische Seitenhiebe aller Art.

10 Kommentare

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  • P
    piepmatz

    Vielleicht sind die Herren Weiss und Co. die unter ihrer Fussmatten wohnen sollen, einfach so nett und nehmen ihre Pakete irgendwo im Haus an und stellen sie dann auf ihre Fussmatte.

    Apropos Gehalt, Leute gebt den Zusteller halt einfach mal nen halben Euro, dann wird der Service vielleicht auch besser.

  • I
    Ikarus

    Ich wundere mich doch sehr über die Überheblichkeit dieser Kolumne.

    Allein der Titel ist eine Frechheit gegenüber Menschen, die mit mit dem Ausliefern

    von Paketen ihr Geld verdienen.

    Aber so ist es wohl wenn die Salonbolschewisten beim Blatt der Ausgebeuteten

    und Entrechteten ihre Komfortzone bedroht sehen.

    @Lexi: wenn Ignoranz weh tun würde...

  • W
    Wüstenratte

    Sehr treffender Artikel, Nachbarhaus ist aber out, 2-3 Häuser weiter sind in, da kommen dann auch die Gehbehinderten mal so richtig in Bewegung. Ich bezahle genug für diese "Dienstleistung", also kann ich auf vollständige Vertragserfüllung bestehen, alles andere berührt mich so, als ob in China ein Sack Reis umfällt. DHL = Dauert Halt Länger Die Sendungsverfolgung ist was Geiles, besonders, wenn das Paket mal 24 Stunden Pause macht, wahrscheinlich wegen des anstrengenden Marsches.

  • L
    Lexi

    Noch perfider als die Nachbarn unter der Fußmatte sind die Nachbarn ein Stock tiefer, die Pakete annehmen, gut bei sich verstauen und noch am selben Tag für drei Wochen in Urlaub fahren. Im Paket ist Ware, die sie dringend benötigen und eine Rechnung mit 10 Tagen Zahlungsziel. Bevor die lieben Nachbarn wieder zurück sind, haben Sie mehr Mahnungen als Pakete und mal einen Lieferanten gehabt. DAS ist lustig. Da freue ich mich doch jedes Mal, wenn es klingelt und ich begrüßt werde: "Hallo, hier ist U... Sie haben eine Päcksche."

  • L
    Lexi

    "Wenn Sie es anders haben wollen, müßten sie bereit sein, so viel für eine Paketzustellung zu bezahlen, dass der Zusteller einen anständigen Lohn erhält."

     

    Was für ein schwachsinniges Argument. Bei welchem Anbieter kann ich ein Paket versenden, das so viel kostet, dass der Zusteller einen anständigen Lohn erhält? Eben. Damit ist alles gesagt.

     

    Wer so blöd ist, dass er für 2 bis 3 Euro pro Stunde den Affen macht, dem gehört es nicht anders! Mir ist noch kein Zusteller begegnet, der mit Gewalt zu seinem Job gezwungen wurde. Nach meiner bisherigen Erfahrung haben das alle freiwillig gemacht. Auch damit ist alles gesagt.

  • P
    Patrick

    "Wenn Sie es anders haben wollen, müßten sie bereit sein, so viel für eine Paketzustellung zu bezahlen, dass der Zusteller einen anständigen Lohn erhält."

     

    Was für Preise würden das denn sein? Das einfache Paket kostet mittlerweile 6,90 Euro. Müsste es 10 Euro kosten, damit der Paketzusteller den Lohn erhält, den er eigentlich verdient?

  • T
    trau

    @felix:

     

    > Wenn Sie es anders haben wollen, müßten sie bereit sein, so

    > viel für eine Paketzustellung zu bezahlen, dass der

    > Zusteller einen anständigen Lohn erhält.

     

    Eine natürlich überaus treffende Analyse, weiß doch jedes Kind, dass die Beförderungsgebühren seit Jahren stetig einzig sinken und gerade große Konzerne fast schon zwanghaft dazu neigen, noch die irrste Einsparung reflexartig als Preisnachlass an ihre Kunden durchzureichen sich unbedingt verflichtet sehen.

    Und auf etwaige Alternativen wie völlig unterirdische Servicequalität und hemmungslos rücksichtslose Gewinnmaximierung einfach nur komplett schei**en, gell.

  • HB
    Heinz Boxan

    Wir bekommen recht oft Päckchen. Meist bringt sie der nette, sehr höfliche Türkischmann, den ich bedaure, weil er kaum einen Parkplatz findet, somit immer und überall im Weg steht, den Nachbarn die Ausfahrt blockiert und jeden Tag ausreichen Schelte bekommt, gegen die er aber inzwischen immun ist und weiterhin höflich bleibt. Mal einen Apfel oder eine Banane und hin und wieder auch einen Euro gebe ich ihm für seine Dienstleistung.

     

    Bin ich nicht da, so hinterlässt er die Ware beim Nachbar. Ist der Nachbar nicht da so nehme ich die Ware an und er bekommt die Banane. Merkwürdig nur, dass der Nachbar jetzt sooft nicht da ist.

    inribonax

  • T
    Thorsten

    Meine für alle Seiten zuverlässige Lösung heißt Packstation.

  • F
    felix

    Das Problem ist ein anderes. Der alte Zusteller hatte wohl einen festen Stundenlohn. Der neue Zusteller erhält dagegen lediglich ein paar Cent pro Zustellung. Wenn niemand das Paket annimmt, erhält er überhaupt keine Entlohnung dafür. Überdies zahlt er den Sprit und die Wartungskosten seines KFZ selbst, oder muss sich einen Van von einer Autovermietung mieten.

    Ich habe das ein paar Wochen lang gemacht, eigentlich Tageszeitung getragen, aber dann kam noch ein Brief- und Paketdienst dazu. Nachdem wir nachts zwischen 0 und 6 Uhr die Tageszeitung ausgetragen hatten, sollten wir morgens noch mal zurückkommen und Briefe und Pakete ausfahren. Zeitaufwand nochmal drei bis vier Stunden. Man kann froh sein, wenn ein Stundenlohn zwischen zwei und drei Euro bleibt. Bei mir war nie eine Zustellung erfolglos, ich habe immer einen Nachbarn angetroffen, auch wenn er unter der Fußmatte wohnt.

     

    Wenn Sie es anders haben wollen, müßten sie bereit sein, so viel für eine Paketzustellung zu bezahlen, dass der Zusteller einen anständigen Lohn erhält.