Die Wahrheit: Fiese Grinsefressen
Geschmacksgrenzen sind den unlustigen Clowns fremd. Ohne mit der künstlichen Wimper zu zucken, gehen sie über jede Scherzgrenze.
„Ein Clown ist kein Depp!“, wetterte Roncalli-Chef Bernhard Paul, als sich kürzlich der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit seinem Clowns-Vergleich eine Essensabsage beim italienischen Staatspräsidenten eingehandelt hatte. Paul war in seiner Berufsehre als Clown getroffen.
Denn natürlich ist ein Clown kein Depp, sondern ein Tölpel, da sich das Wort Clown vom lateinischen colonus herleiten soll, was Bauerntölpel bedeutet. Schade, dass die Deppen keine ähnlich starke Interessenvertretung wie die Clowns haben, die Schlagzeile „Ein Depp ist kein Clown“ hätte man schon gern gesehen und auf die gesalzene Replik der Tölpel wäre man auch gespannt gewesen.
Die Clownslobby war schon immer mächtig. Als das B-Movie „Killerclowns from Outer Space“ in die Kinos kam, schimpfte der Vorsitzende der Clowns of America laut in der Presse über „die Verunglimpfung des Clownswesens“. „Clownsunwesen“ hätte es besser getroffen, denn Clowns sind keine Deppen, sondern bezahlte Kinderschrecke.
Die weißgeschminkten Spaßmacher sind nicht erst bei Kindern gefürchtet, seit Serienkiller John Wayne Gracy in Chikago sein Unwesen trieb. Als Clown „Pogo“ näherte sich Gracy seinen 34 Opfern spielerisch. Erstaunlich, dass das funktionierte, denn Kinder mögen Clowns gewöhnlich nicht. „Auffallend viele Kinder hatten ein Unbehagen beim Anblick von Clownsbildern“, stellte eine Studie in Sheffield fest.
Das Unbehagen hätte sich bei Steven Kings mörderischem Clown Pennywise aus dem Clowns-Schocker „ES“ noch vergrößert. Der bleiche Clown lockte vorwitzige Kinder in Gullis und versetzte die Kinozuschauer mit seiner Maskerade in namenlosen Schrecken: rote Haare, geweißtes Gesicht und die „grinsende Wunde von Mund“ (Tagesspiegel).
Wie tief unförmige Schuhe und eine grinsende Maske Kinder verstören, konnte der Verfasser dieser Zeilen feststellen, als er in schwierigen Zeiten mit Mickymaus-Schwellkopf im Dienste des Disney-Konzerns entsetzt weinende Kinder in den Arm gedrückt bekam. Wenn die so traumatisierten Kinder später auch noch das Pech hatten, krank zu werden, wurden womöglich zu allem Überfluss auch noch die gnadenlosen „Klinikclowns“ oder, schlimmer noch: die lustigen „Cliniclowns“ auf sie losgelassen. Das ist eine gewissenlose Truppe, die von den Krankenkassen bezahlt wird, damit sich die Kinderstationen schneller wieder leeren.
Zum Totlachen sind auch die Clownskollegen in ärmeren Ländern. Dort werden die bedauernswerten Kinder zu ihrem grenzenlosen Entsetzen von den „Clowns ohne Grenzen“ bespaßt. Geschmacksgrenzen sind diesen Clowns jedenfalls fremd, die ohne mit der künstlichen Wimper zu zucken über jede Scherzgrenze gehen.
„Mit einer Maske lässt sich der Charakter vergrößern“, behauptet Wikipedia sprachlich verwegen. Zumindest vergrößert sich mit der roten Clownsnase das Profil. Das gilt leider nicht unbedingt für das geschärfte politische Profil der Manegen-Tölpel. Die Ansichten des „großen“ Charlie Rivels waren keine Schenkelklopfer, Rivel war nämlich ein Bewunderer Hitlers („Adolf schööön!“). Auch Clown-Kollege Grock handelte sich viel Kritik ein, weil er in Nazi-Deutschland auftrat. („Nit möööööglich.“) Doch möglich.
Und wie wird so einer Clown? Am Ringling Bros. Clown College in Wisconsin müssen die Bewerber den gnadenlosen „Kichertest“ bestehen. Wer die Prüfer nicht innerhalb einer Minute zum Lachen bringt, ist durchgefallen. Dann kann er dort an der Schule nicht einmal mehr den Pausenclown geben. Vielleicht reicht’s noch zum Partyclown oder gar zum fest angestellten Fastfoodkettenclown. Oder der verhinderte Spaßmacher schlägt die Laufbahn zum Politclown ein. Von da ist es nur ein kleiner Schritt zum König der Deppen, dem Politiker!
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