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Die WahrheitDie elektrische Bestrafung

Ein gutes Metal-Konzert kann es im niedersächsischen Gifhorn einfach nicht geben. Oder doch? Was es nicht alles gibt!

Und dann fing es auch noch an zu gallern wie blöd, so dass Geoff Thorpe, der musikalische Kopf der alten – ach, sagen wir ruhig mal legendären – Power-Metal-Recken Vicious Rumors noch krauseres Haar bekam, weil er immer mal wieder zwischen Nightliner und Theke pendelte. Frei saufen hatte er sich vertraglich zugesichert, eine Bühne, die den Namen verdiente, augenscheinlich nicht.

Es hätte ihn wirklich jemand warnen müssen. Er sollte mit seiner Truppe ausgerechnet in Gifhorn spielen, dort, wo Schafe Heidschnucken genannt werden und nie wirklich sicher sein können vor der männlichen Bevölkerung, wo man Windmühlen sammelt wie andernorts Briefmarken und wo noch nie ein Metal-Konzert von Belang stattgefunden hat.

Insofern ist Gifhorn in gewisser Weise entschuldigt. Woher soll man hier auch wissen, dass man eine Bühne braucht? Und dass man eine Lokalität, die man als Veranstaltungsort etablieren möchte, nicht an Boden, Wänden und Decke fliest und kachelt! Das ist zwar praktisch, man kann nach der Veranstaltung schnell mal durchfeudeln, aber es wird immer nach Mannschaftsdusche klingen. Selbst wenn 150 Zuschauer kommen. Und so viele kommen ja nie. Nicht in Gifhorn.

Nachdem Thorpe und seine Truppe die 57 anwesenden Metalheads persönlich begrüßt und die beiden Vorbands The Order of Chaos und Embodied ihr Set runtergekachelt hatten, torkelten schon die ersten nach draußen mit durchgeschmorten Ohren. Ein befreundeter Sprengmeister hatte mir vor geraumer Zeit Ohrstöpsel der Marke „Stille Nacht“ empfohlen, aber sie brachten nicht viel.

Dann endlich gingen Vicious Rumors auf die Bühne, Pardon, in die Ecke, wo die Instrumente standen. Thorpes Haar war jetzt richtig kraus. Man legte los, und hoppla, alle 57 sahen sich an vor Überraschung. Es klang zwar immer noch nach Waschkaue, aber nicht mehr nach Krieg.

Der Song „Electric Punishment“ schien den Abend adäquat zusammenzufassen. Es war eine elektrische Bestrafung, wahrhaftig, aber auch das großartigste Konzert, das diese Stadt je erlebt hat und erleben wird. Geoff Thorpe hatte seine Band nämlich zwischenzeitlich in Hypnose versetzt. Sie glaubten alle in einer Riesenhalle vor zehntausend Menschen zu spielen und sprangen folglich herum wie auf Speed.

Vielleicht war es auch gar keine Hypnose, sondern handelsüblicher Speed. Jedenfalls grimassierten sie waidwund, zockten sich einen Wahnsinnswolf und übten sich in liebenswürdigem Größenwahn. Man habe gehört, das sei das erste Konzert dieser Art hier. Na, umso besser. „Let’s make history!“ Und unser kleiner Haufen versuchte im Gegenzug eine zehntausendköpfige Menschenmenge zu imitieren.

Nach ein paar Zugaben entließen wir die Superstars unter vieltausendkehligem Gejohle, und Geoff Thorpe setzte sich hinter das dicke Flightcase mitten im Raum und verkaufte von dort aus fünf T-Shirts und drei CDs. Es war absolut erbärmlich, bemitleidenswert, berauschend und so gottverdammt true, wie es truer gar nicht mehr geht.

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4 Kommentare

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  • G
    Guido

    Was ist eigentlich dran erbärmlich wenn ein Musiker seinen Lebensunterhalt verdient in dem er vor keinem Publikum spielt und seine Merchandising-Artikel an dem Mann bzw. Frau bringen möchte.

    Legendär ist die Band in der Tat. in deren Vorprogramm ist eine kleine Band wie Metallica aufgetreten.

  • G
    GastausGifhorn

    Naja, wenn der Autor auch nur nach Gifhorn kommt, wenn eine unbekannte Band in einem kleinen Lokal spielt, dann hat er sich definitiv das Falsche ausgesucht.

    Er und die Redaktion sind herzlich eingeladen im August das Altstadtfest zu besuchen, das größte Fest zwischen Hamburg und Frankfurt, dem Ruhrgebiet und Berlin.

    Vielleicht hat die klamme taz auch dafür mal Geld in ihrer Reisekasse.

  • R
    ridicule

    Frank der Schäfer hat Wölfe gehört,

    Wölfe mitten im Mai…

     

    Danke. Gif - Hirn, Alder.

     

    Erinnert von Ferne an die Rattles;

    ( …die Truppe um Achim Reichel aus Hamburch)

    wie diese lustlose Truppe in einer lübschen Schaumbadbar

    in der Schlumacherstraße* endete;

    - ein langer Schlauch,

    Bühne - so was Feines trug man dort

    auch nicht;

    und - etwa 10 völlig unnötige Eierpaletten an den Wänden;

    eine Handvoll Milchreisbubis,

    die zu blöd waren, in's Ausland

    zum 60 km entfernten Star-Club zu fahren.

     

    Metal? - niemand arbeitete auf Flender oder LMG.

     

    *Schumacherstr - gibts nur in HH;

    aber das - ist eine andere Geschichte.

  • B
    bempo

    "... dort, wo Schafe Heidschnucken genannt werden und nie wirklich sicher sein können vor der männlichen Bevölkerung, ..."

     

    Dem Namen nach weiss der Autor wohl genau, wovon er hier schreibt...