piwik no script img

Die WahrheitEin Penis namens Diana

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Die Briten drehen durch. Sie fiebern der Geburt eines künftigen Königs oder einer künftigen Königin entgegen.

D ie Briten drehen durch. Sie fiebern der Geburt eines künftigen Königs oder einer künftigen Königin entgegen. Offizieller Termin für die Geburt des Babys von William und Kate alias Herzog und Herzogin von Cambridge ist der nächste Donnerstag. Das Kind wird im privaten Lindo-Flügel des St. Mary’s Hospital in Paddington zur Welt kommen. Der 69-jährige Dr. Setchell, der das royale Ereignis leiten wird, hat verkündet, dass er schon seit Wochen nicht mehr trinke. Das ist sehr beruhigend.

Die neuen Eltern können die Ankunft des Nachwuchses aber standesgemäß mit Champagner begießen, die Weinkarte des Krankenhauses lässt so manches Spitzenrestaurant vor Neid erblassen. Seit Anfang des Monats herrscht Parkverbot auf dem Krankenhausparkplatz. Gegenüber campieren seit einer Woche rund 60 Fotografen, die sich um die besten Plätze balgen.

Ein Kabinettsminister muss bei der Geburt nicht mehr anwesend sein, wie es früher der Fall war, um sicherzustellen, dass der Nation kein Wechselbalg untergeschoben würde. Junge oder Mädchen? Dieses Geheimnis wird streng gehütet, jedenfalls bis zur Geburt. Als Kate aber von einer Frau aus dem Volk einen Teddy geschenkt bekam, bedankte sie sich beinahe im Namen der „Daughter“, brach jedoch nach dem ersten Buchstaben ab und behauptete später, dass sie „Dog“ sagen wollte, weil sie den Teddy ihrem Lieblingshund gegeben habe.

Was es auch wird, es steht nach Charles und William an dritter Stelle in der Thronfolge, weil das Parlament 2011 ein Gesetz geändert hat. Seitdem darf das erstgeborene Kind auf den Thron, selbst wenn es bloß ein Mädchen ist.

Die Souvenirindustrie konnte ihr Glück kaum fassen, als die Schwangerschaft offiziell bekannt gegeben wurde. Sie hatte gerade mit Londoner Olympia-Artikeln einen Reibach gemacht, da stand schon das nächste souvenirwürdige Ereignis ins Haus. Man begann sofort zu produzieren, obwohl die Unkenntnis des Geschlechts die Auswahl auf neutrale Farben beschränkte.

Es gibt bereits Tassen und Teller, Lätzchen und Kissen, kleine Stiefel aus Schafleder und Strampelanzüge mit der Aufschrift: „Meine Oma ist Königin.“ Das ist allerdings inkorrekt, denn die Oma des Babys ist in einem Tunnel in Paris gestorben. Die Queen ist Williams Oma, und der ist aus Strampelanzügen schon raus.

Wie wird das Kind heißen? Bei den Buchmachern sind Anne und Frances Favorit, wenn es ein Mädchen wird. Danach kommt gleich Diana. So wäre eine glückliche Kindheit von vornherein vereitelt. Man kann dem Kind nur wünschen, dass es einen Penis hat, um nicht ständig mit Diana verglichen zu werden. In diesem für das Kind günstigeren Fall halten die Buchmacher Namen wie John, Robert oder Charles für wahrscheinlich.

Der Labour-Abgeordnete Keir Hardie hatte 1894 zur Geburt des späteren Edward VIII. gesagt, er schulde einem Erbherrscher keine Gefolgschaft. Unter dem „Oh, oh, oh“-Jaulen der entsetzten Abgeordneten fügte er hinzu: Die Überhöhung der Wichtigkeit eines solch alltäglichen Ereignisses wie einer Geburt sei völlig unangebracht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!