Die Wahrheit: Danke, liebe Toilette!
Endlich mal eine Lobrede auf die schönste aller Schüsseln, denn sie hat's auch nicht immer leicht.
I ch habe mich vorigen Dienstag bei meiner Toilette bedankt. Dazu bin ich von den Vereinten Nationen aufgefordert worden, denn die hatten den „Tag der Toilette“ ausgerufen. Damit sollte in Erinnerung gerufen werden, dass 2,5 Milliarden Menschen kein Klo besitzen, und das führe zu Krankheiten. In Indien besitzen mehr Menschen ein Handy als eine Toilette.
So wird es auch bald auf den Ryanair-Flügen sein, denn Fluglinien-Chef Michael O’Leary will die Klos in seinen Flugzeugen abschaffen. Von mir aus kann er das ruhig tun, denn erstens fliege ich nur im Notfall mit dieser Discounter-Linie, und zweitens gehe ich während eines Mittelstreckenfluges nie aufs Klo, sondern sitze am Fenster und will meine Ruhe haben. Ich will auch nicht gefragt werden, ob ich etwas zu essen oder trinken bestellen oder gar „Duty Free“ einkaufen möchte, zumal das eine dreiste Lüge ist, denn zollfreie Waren gibt es bei Reisen innerhalb der EU schon lange nicht mehr.
Auch früher, als kostenlose Backwaren und Getränke im Flugzeug serviert wurden, habe ich das stets abgelehnt. Warum soll man – eingezwängt zwischen Sitznachbar und Klapptisch – an einem Keks knabbern und ein Heißgetränk zu sich nehmen, wenn das unweigerlich zu einem versauten Oberhemd führt? Außerdem muss man nach dem dünnen Kaffee womöglich auf die Toilette.
Ryanair will die Klos allerdings nicht gänzlich abschaffen, sondern eins behalten. Die restlichen sollen durch Sitzplätze ersetzt werden, denn die bringen mehr Geld als die Toiletten, selbst wenn man einen Euro Benutzungsgebühr erhebt, wie O’Leary vor einigen Jahren laut überlegte. Selbst bei schwachen Blasen oder einer Durchfallepidemie würde sich das nicht rechnen. Was passiert eigentlich mit den Exkrementen? Man hört immer wieder, dass gefrorene Stinkbomben wie ein blauer Meteor – wegen der bläulichen Sanitärflüssigkeit – zu Boden stürzen und Hausdächer demolieren. Nicht möglich, beteuern die Fluggesellschaften, außer im Falle eines Lecks an der Außenklappe. Ansonsten wird das Zeug nach der Landung abgepumpt.
Im Gegensatz zu den winzigen Flugzeugtoiletten, die man nur mit Verrenkungen benutzen kann, sind die „Pop-up Loos“, die neuerdings in London und Amsterdam eingesetzt werden, geradezu luxuriös. Das sind große Zylinder mit Pinkelbecken, die nachts aus dem Boden aufsteigen und im Morgengrauen wieder in der Erde verschwinden, so dass nur noch die Dachplatte zu sehen ist. Diese versenkbaren Klos sollen verhindern, dass Männer auf dem Heimweg vom Wirtshaus in die Rabatten pinkeln. Wer tagsüber trinkt, muss aber weiterhin ins Gebüsch.
Ich habe den Welttoilettentag würdig begangen: Unser Freund Aribert hat uns einen Anti-Hämorrhoiden-Toilettensitz geschenkt. Zwar leide ich nicht unter arteriovenösen Gefäßpolstern, aber der bequeme Schalensitz lädt zum Verweilen ein. Er ist komfortabler als unsere geerbte tiefliegende Zwei-Sitz-Couch. Am Tag der Toilette habe ich die Buddenbrooks auf dem Klo gelesen. Danke, Toilette!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben