Die Wahrheit: Ein Serientäter
Schwabinger Krawall: Polizeiobermeister Stanggradl landet einen großen Coup, als er den polnischen Fahrer eines klapprigen Ladas verhaftet.
P olizeiobermeister Stanggradl ist einigermaßen erstaunt, als er den Namen des unscheinbar wirkenden jungen Mannes in dem klapprigen Lada mit polnischem Kennzeichen, den er wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten hat, an die Zentrale durchgibt und erfährt, es handle sich bei diesem Prawo Jazdy um einen notorischen Dauerverkehrssünder, der über hundert Delikte auf dem Kerbholz habe, sich jedoch seit Jahren der Bestrafung entziehe, indem er jedes Mal eine andere falsche Adresse angebe, sodass noch nicht ein einziger Zahlungsbescheid ordnungsgemäß zugestellt werden konnte.
Zudem sei der Mann in höchstem Maße mobil: Erst im Oktober habe er in Augsburg, Drügendorf, Oberroning, Ruhpolding und Neustadt an der Aisch falsch geparkt, in Ingolstadt, Kempten und Fürth rote Ampeln nicht beachtet, sei in Pfullendorf, Neu-Ulm, Straubing, Ochsenfurth, Bayreuth und Rosenheim zu schnell gefahren und habe in Waging am See ein altersschwaches Huhn überfahren. Der Serientäter sei dringend festzusetzen und, wenn sich auch diesmal keine ladungsfähige Adresse ermitteln lasse, einzusperren.
Als POM Stanggradl dem jungen Mann erklärt, er müsse ihn festnehmen, ist dieser baff. Er wolle lediglich einer deutschen Tante in Neuaubing zu ihrem Geburtstag einen Besuch abstatten, habe es wegen der langen Wartezeit an der Grenze eilig und wisse nichts von irgendwelchen Verbrechen, stammelt er. Da könne er nichts machen, erklärt POM Stanggradl und verschafft den Mann auf die Polizeidienststelle, wo dieser eine Adresse in Katowice sowie die Telefonnummer seiner Tante nennt, die POM Stanggradl zur Überprüfung an einen Kollegen weitergibt. Von diesem erfährt er, der Dame in Neuaubing sei ein Prawo Jazdy vollkommen unbekannt. Man beschließt, einen Dolmetscher kommen zu lassen.
Aber auch der kann dem jungen Mann zunächst nicht mehr entlocken, als dass er unschuldig sei und zu seiner Tante müsse. Erst als POM Stanggradl den Dolmetscher um einen Anruf bei der Polizei in Katowice zwecks Überprüfung der Adresse des Herrn Jazdy ersucht, wird dieser stutzig. Es werde höchstens zu Heiterkeit führen, wenn er diesen Anruf tätige, erklärt er, weil „Prawo Jazdy“ als Name ungebräuchlich sei und übersetzt nichts anderes bedeute als „Führerschein“.
POM Stanggradl kann sich eines Errötens nicht erwehren, wirft die Anzeige wegen Geringfügigkeit in den Papierkorb, und weil der klapprige Lada des Polen immer noch an der Münchner Freiheit steht, fährt er den staunenden jungen Mann mit seinem Dienstwagen nach Neuaubing, lässt der Tante seine besten Wünsche zum Geburtstag ausrichten und schärft ihm ein, sich bei der Heimreise so streng wie nur möglich an die bayerischen Verkehrsregeln zu halten.
Dass einige Tage später auf seiner Dienststelle eine Anfrage der polnischen Polizei eintrifft, die wegen diverser Verkehrsdelikte um Mitteilung der Adresse eines Herrn namens „Bücherei Ausweis“ bittet, erfährt POM Stanggradl leider nicht.
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