Die Wahrheit: Gestochene Tölen
Punks kennen für optimale Schnorr-Erfolge genau die Akupunkturpunkte ihrer Hunde.
Die Punks gelten als die Wertkonservativen unter den diversen Jugendkulturen. Ihre Ablehnung gilt neumodischem Kram wie Staat, Konsum und Neolibe-ralismus. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Formenreichtum des Punks spürbar erweitert. Maßgeblich dabei waren andere, neue Bewegungen, sodass wir jetzt auch von Veggie-Punks, Eso-Punks und Aku-Punks sprechen können. Letztere sind Punks, die sich für die chinesische Lehre der Schmerzpunkte, die Akupunktur, interessieren.
Was Schmerzpunkte anbelangt, muss ein Punk ja seit jeher gut informiert sein, da er sich gern mit Piercings und Rasierklingenbrauchtum wehtut. Da ist es gut, die 172 Schmerzpunkte des menschlichen Körpers zu kennen, damit man nicht immer daneben trifft. Aus dem Bestreben des maximalen Schmerzzufügens begründet sich deshalb das Interesse unserer Akupunks an der chinesischen Wissenschaft. Doch noch ein zweiter Interessenschwerpunkt eint Chinesen und Punks: ihre Vorliebe für Hunde.
Wen wundert es da, dass sich der Chinese seit geraumer Zeit der Akupunktur von Kleintieren, speziell von Hunden, widmet. So ist bereits seit den Achtzigerjahren ein Lehrmodell für die Akupunktur des Hundes auf dem Tiermarkt. Das kann der interessierte Punk beim Institut für traditionelle Veterinärmedizin der Provinz Kiangsu bestellen.
Der Modellhund bildet die 72 Akupunkturpunkte des Hundes präzise ab. Die Punktlokalisationsangaben geben sowohl die Stichpunkte der Nadel, als auch die zu treffenden topographisch-anatomischen Strukturen wieder – laut Produktinformation des Herstellers. Diese berücksichtigen aufs Genaueste die Nachbarschaft von Sehnen, Muskeln und Nerven und die jeweiligen Stichtiefen und Stichrichtungen. (Vergleiche auch „Der Dachshund, Akupunktur in der Kleintierpraxis“, April 1985)
Als Indikationen werden gastrointestinale Störungen (Herauswürgen von Verdorbenem), Krampfanfälle, Schockzustände und sogar Staupe im Initialstadium genannt. Heutzutage stehen allerdings im Punkhund-Milieu andere Probleme im Vordergrund: Bellen, sexuelle Überaktivität und Drogenkonsum.
Das Bellen stört die antiautoritären Punks naturgemäß am wenigsten, das zweite nervt und das dritte geht ans Eingemachte. Für einen Punk, der aufs Schnorren angewiesen ist, ist die Gesundheit seines Hundes von existenzieller Bedeutung für den Schnorrerfolg. Vergiftungserscheinungen, Zittern und Herzrasen sieht der Angeschnorrte beim Punkhund nicht gern, aber genau das passiert immer wieder, weil dieser naturgemäß zur Koprophagie, vulgo Kotfressen, neigt. Da außerdem sein Herrchen oder auch Frauchen häufig im drogenaffinen Milieu unterwegs ist, kommt es immer wieder zu schwersten Vergiftungen durch Konsumentenkacke. Einem Punk mit Hund im Vergiftungstremor würde niemand einen müden Cent geben.
Deshalb ist es gut zu wissen, wohin der Akupunk seine Nadel gegen die lästige Koprophagie setzen muss. Doch trotz Akupunkturmodellhund ist das nicht so leicht, wie uns „Der Dachshund“ weismachen will, und der Frust über die teure Anschaffung ist dann oft groß. Viele der gewitzten Akupunks sind deshalb dazu übergegangen, anstelle des anfälligen Punkhunds gleich mit dem zuverlässigen Hundemodell zu betteln. So ein professionelles Akupunkturmodell frisst kein Hundefutter und kommt gut an bei der gesundheitsbewussten Klientel der Geber, die sich auf diese Weise keinen lästigen Hundefloh holen kann.
Auf der Spendenbescheinigung wird natürlich werbewirksam versichert, dass durch den Bettelvorgang kein lebendes Tier leiden musste. Durch solch ein geschicktes Marketing trifft der Akupunk unseren heiklen Spendepunkt zielsicher wie mit einer von einem chinesischen Meisterpunkteur geführten Akupunkturnadel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!