Die Wahrheit: Dem tapferen Baum
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über einen arg malträtierten Baum erfreuen.
Dem tapferen Baum an der Warschauer Brücke
Auferstanden aus Ruinen
und aus Rinden, winterstarr
zwischen Tram- und S-Bahn-Schienen
blühst du auf! Wie jedes Jahr.
Unbeugsame Flowerpower
trotzt dem eitlen Gammel-Look
Spammt dich auch ein noch so rauer Degentrifizierungsdruck,
du sagst durch die Blume, unbeirrt
es freue dich, dass Frühling wird!
Umströmt vom Party-People-Muff
versumpfter Twens nach Billigsuff
schluckst du den Touripöbelpiss
nebst Pennerwein und Tölenschiss
wirst regelmäßig vollgestrullt
und unaufhörlich eingelullt
vom Atzen-Sang von Kevins Miss
von Studi-Talk und Bullen-Diss
Doch du blühst weiter, unbeirrt
Freust dich halt, dass Frühling wird!
Du konterst mit dem Blütenkleid
der allgemeinen Hässlichkeit:
„Ich zieh mir heut wat Schicket an
und frische auf, so gut ich kann!
Ein Frühlingserwachen in ewiger Dreckzeit
und vielleicht halt’ ich durch, bis dass ihr alle weg seid!“
In zwei Wochen ist all dein Zauber verblüht –
so lang sei Oase dem edlen Gemüt!
Frank Klötgen
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