Die Wahrheit: Wurst contra Latte
Euro-Urne (4) Heute erklärt uns Rayk Wieland, warum er niemals die Grünen wählen würde.
Kröten über die Straße helfen, sich an wehrlose Bäume ketten, Kaffee fair verticken, die Feindschaft mit Emulgatoren pflegen, über die Massentierhaltung die Nase rümpfen, das Abschmelzen der Polkappen kritisch im Auge behalten – das alles und noch viel mehr gehört zum kapriziösen Portfolio der Grünen. Am Morgen um 6.30 Uhr an meiner Tür rütteln, um mit mir über Spezifikationen der Mülltrennung zu plaudern, ist offenbar auch Teil der Parteiarbeit.
Die Dame, die einen Fuß in den Eingang schob, sah aus wie eine grobe selbst gestrickte Wurst, und sie schwenkte eine Latte. Was mit der Latte sei, wollte sie wissen. Nichts, gab ich überdeutlich gähnend und die Tür festhaltend, zurück. Doch ich täuschte mich sehr.
Sie sei, sagte sie, von der Ortsgruppe der Grünen, und sie führe hier einen Umweltrundgang im Außendienst durch. In dem Zusammenhang sei sie auf die Latte gestoßen. Ob ich vorhätte, sie zu verbrennen wie das andere Holz im Garten? Ich sagte, ja, genau, das sei das Ziel. Nein, sagte sie, das würde sie an meiner Stelle nicht tun. Und dann sagte sie: Die Latte ist lackiert.
Der anschließende Dialog wurde dafür, dass er durch einen schmalen Türspalt hin und her flog, außerordentlich facettenreich. Er streifte die Problematik falsch wegsortierter Fischdosen, die sie im Hausmüll erspähte. Er umspielte die an sich verwerfliche Verwendung von Dosen überhaupt. Er strandete überhaupt nicht bei der Situation von Fisch. Die persönliche Wegwerfmentalität kam zur Sprache. Die Luft war voller Feinstaub. In Sprechblasen rotierten fossile Brennstoffkreisläufe synchron zur Latte, die sie schwenkte. Meine Gedanken wanderten weg, und sie wollten auf keinen Fall zurückkehren.
Partei mit Entsorgungsproblem
Dass die Grünen immer noch da sind, wird ihnen von vielen als Verdienst angerechnet. Tatsächlich hat die Partei ein Entsorgungsproblem. Claudia Roth, Reinhard Bütikofer, Jürgen Trittin, Renate Künast und wie sie alle heißen – sie liegen wie Altreifenstapel in der politischen Landschaft. Sogar Joschka Fischer ist noch da, wenn auch fraglich ist, wozu. Die Kontinuität dieser Partei besteht allein im Nichtwegseinwollen. Die Grünen teilen sich dieses Merkmal mit Albträumen und Geldsorgen.
Immer noch war da der Fuß in der Tür. Und mit dem Fuß stampfte die Umweltschutzpolitesse auf. War sie von Amts wegen hier? Im Auftrag der Partei? Aus Idealismus? Um die Tageszeit streunten meines Wissens nicht mal die Zeugen Jehovas durch die Gegend.
Generell scheint sich das Genre des unangemeldeten Hausbesuchs in eine ähnlich unerfreuliche Richtung zu entwickeln wie der Schriftverkehr. Während im Briefkasten nur noch Reklamemüll, Rechnungen, Altkleidersammlungstermine landen, finden sich vor der Haustür stets Drückerkolonnen ein, Paketzusteller für den abwesenden Nachbarn, Staubsaugervertreter. Um die Grünen muss es sehr, sehr schlecht bestellt sein, wenn sie in dem sozial geächteten Terrain einen Fuß in die Tür bekommen wollen. Bedauerlicherweise handelte es sich um meine Tür.
Die totale Arterhaltung
Kaum jemand hätte, bevor es die Blockwachteln von den Grünen gab, gedacht, dass rechts von der NPD noch Platz für eine politische Kraft sein könnte. Während die Nazis lediglich die Deutschen vorm Aussterben bewahren wollen, plädieren die Grünen für die totale Arterhaltung, für die artgerechte Arterhaltung aller Arten und aller Arten von Arten. Vom Müll ganz unten in der Tonne bis zu den kleinsten Partikeln in der oberen Stratosphäre unterliegt alles ihrer peinvollen Observation. Verbrennen, erfuhr ich, dürfe ich die Latte auf keinen Fall.
Wer lackiertes Holz verbrenne, rief sie, der … der … der verbrenne am Ende auch lackierte Menschen, ergänzte ich. Sie nickte. Sie holte Luft. Kompostieren sei unmöglich. Für den Hausmüll sei die Latte nicht geeignet. Wie wär’s denn, fragte sie, wenn ich das Ding wieder in den Kreislauf der Natur zurückspeise? Es könne, wenn der Lack ab ist, als Insektenhotel dienen. Oder als Baumaterial. Für den Meisenkasten. Zum Beispiel. Ja, sagte ich, das ist ganz toll, aber wissen Sie was? Mir ist die Latte latte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wohnungslosigkeit im Winter
Krankenhaus schiebt Obdachlosen in die Kälte