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Die WahrheitSchatzsuche im Müllcontainer

Kolumne
von Pia Frankenberg

Tagebuch einer Picknickerin: Männer können so sinnlos gründlich sein, dass man als Frau gezwungen ist, nach so manchem fischen zu gehen.

N eulich morgens um sieben. Lieferungen werden scheppernd entladen, Hunde erschnüffeln Nachrichten, ein Berliner Stadtreinigungsteam „Orange“ wuchtet Abfall in einen Müllwagen, auf dem zum mediterranen Klima passend in großen Lettern „Mülle Grazie“ prangt.

Der Tag wird älter, die Sonne brennt. Was tut der Stadtbewohner, wird er vom Hochsommer überrascht? Er verabredet sich im Biergarten. Angehörige derselben Gattung gehorchen üblicherweise denselben Verhaltensmustern, und so tritt beim Menschen besagter Drang nicht vereinzelt, sondern in Massen auf. Es ist schwieriger, nach Feierabend in einem Berliner Biergarten einen Platz zu ergattern als ein Ticket zur David-Bowie-Ausstellung. Man stelle sich vor: Drei Tage im Voraus reserviert! Biergarten, nicht Bowie.

Warum nicht statt pappiger Brezeln und misshandelter Hähnchen an einem selbstgewählten Ort ausgesuchte Köstlichkeiten verzehren? Schließlich verfügt man fürs zivilisierte Speisen über einen Picknickkorb mit Geschirr, eine gegen Feuchtigkeit isolierte Decke, Kühltasche und kräftige Begleitung, die klaglos schleppt. Ziel ist eine malerische Uferstelle, die von erfreulich wenigen anderen Naherholungssuchenden okkupiert ist. Das, so wird bald deutlich, liegt an einem Tier schwer zu bestimmender Artenzugehörigkeit. Schwer zu bestimmen deshalb, weil es sich im Verwesungszustand befindet und olfaktorisch penetrant auf sich aufmerksam macht. Also wird die Decke abgeräumt und am inzwischen einzig freien Plätzchen in der Nähe eines Müllcontainers von saurierähnlichen Ausmaßen wieder ausgebreitet. Aber es bleiben ja noch das Spiel des Sonnenlichts auf dem Wasser und der Gesang der Vogelwelt, und nach dem vierten Bier erscheinen sogar zwanghaft von Ausflugsbooten winkende Touristen in mildem Licht.

Wo ist Brüssel, wenn man es braucht?

Nach Einbruch der Dunkelheit werden benutztes Geschirr und Abfall in getrennte Tüten gestopft, der Mann entsorgt den Müll im Container, und man begibt sich beschwingt nach Hause. Dort fehlt dann das Geschirr. Männer können so sinnlos gründlich sein. Die Suche nach Ersatztellern ergibt, dass sich Picknickkorbdesigner bei Größen ungern an Normen halten. Wo ist Brüssel, wenn man es braucht?

Am nächsten Morgen. Vom Ufer her müffelt noch die Tierleiche, nicht weit davon döst der Container. Von seinem Rand baumelnd stochert man mit Ästen in den Hinterlassenschaften fremder Menschen. Adrenalinschub! Durch eine Plastiktüte schimmern vertraute Abfallreste! Erstaunlich, wie gut man sich den Inhalt von Mülltüten merken kann. Das wäre doch mal was für „Wetten, dass..?“ gewesen! Mit einer Baggerschaufel einen Säugling füttern kann ja jeder, aber Müll durch Plastik hindurch oder gar Aas am Geruch erkennen? Ach, Tempi passati …

An der Astspitze baumelt die Tüte mit dem Geschirr. Großcontainer mit geringen Leerfrequenzen haben was für sich. „We kehr for you“, wirbt die Berliner Stadtreinigung. Versprechen gehalten. Mülle Grazie!

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