Die Wahrheit: Pfannkuchen und Schwarzgebrannter
Seit Jahren hatten wollen Anette und Qui mit mir reiten gehen, nach vielen Ausreden bin ich jetzt eingeknickt.
D iesmal war ich fällig. Anette und Qui, zwei junge Damen aus Berlin, kommen einmal im Jahr für zehn Tage nach Irland, um unseren Garten auf Vordermann zu bringen. Da er in den restlichen 355 Tagen wenig Aufmerksamkeit erfährt, gibt es jede Menge zu tun. Einmal zogen sie sich sogar Taucheranzüge an, um bei strömendem Regen weitergärtnern zu können. So viel Fleiß ruft natürlich den Neid der Nachbarn mit unkrautüberwucherten Gärten hervor, und wir müssen ständig deren Abwerbungsversuche im Keim ersticken.
Seit Jahren hatten sich Anette und Qui gewünscht, dass ich mit ihnen reiten gehe, doch ich hatte immer eine kaum zu widerlegende Ausrede. In diesem Jahr bin ich eingeknickt. Willie Daly, der Heiratsvermittler von Lisdoonvarna, betreibt nebenbei einen Ponyhof. Leider besitzt er auch ziemlich große Pferde. Und auf eins dieser unhandlichen Tiere sollte ich hinaufklettern. Ich stieg zunächst auf eine Mauer und hüpfte von dort auf den Gaul, verkrallte mich in den Sattel und hoffte, dass mein Pferd an Energiearmut litt. Daly gab mir noch den Tipp, dass mein Tier es nicht mochte, wenn Artgenossen vor ihm liefen. Herrje, sollten wir uns etwa ein Rennen liefern?
Das war jedoch nicht nötig. Quis Pferd hieß „Pancake“, und der Name war Programm. Sobald Gras in Sicht war, blieb der Pfannkuchen stehen und begann zu fressen. Anettes Tier, „George Clooney“, hatte ebenfalls keine Ambitionen und blieb vornehm im Hintergrund. Ich hatte vergessen, nach dem Namen meiner Stute zu fragen. Vermutlich hieß sie Kate Moss. Sie wackelte mit dem Hintern wie ein Model auf dem Laufsteg. Wer hätte gedacht, dass man auf einem Pferd seekrank werden kann? Nach einer halben Stunde war es vorbei, und auch die Pferde schienen erleichtert.
Daly zeigte uns einen Pferdewagen in der hintersten Ecke seines Schuppens und erwähnte möglichst beiläufig, dass er aus dem Film „Der Ausgestoßene“ stamme. John Wayne habe darin gesessen. Es war eine dieser Geschichten, bei denen es auf den Wahrheitsgehalt nicht ankam. Meistens drehten sich Dalys Erzählungen aber um steinalte Männer, die er mit sehr jungen Frauen verkuppelt habe. Daly selbst hat acht Kinder, aber die Frau ist ihm davongelaufen. Er ist 71 und sagt, dass er gerne noch ein paar Kinder möchte, wenn er älter ist.
Dann lud er uns auf eine Tasse Tee ein. Wir lehnten dankend ab, doch er ließ nicht locker. Wenigstens sollten wir sein Eheanbahnungsbuch anfassen, das bringe Glück. In der Schwarte sind alle Heiratskandidaten und ihre Vorlieben verzeichnet. Wir berührten das Buch, aber damit war es nicht getan, denn nun kramte Daly eine Flasche mit klarer Flüssigkeit, aber ohne Etikett heraus. Es handelte sich um Poitín. Das ist ein aus Kartoffeln schwarzgebrannter Schnaps, der, ist er schlecht, zur Erblindung führen kann. Ach, hätten wir den Tee nicht abgelehnt. Dieser Poitín war jedoch ausgezeichnet und ging schnurstracks in den Kopf. Nächstes Jahr fahren wir wieder zu Daly. Man muss ja nicht unbedingt reiten.
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